Tag 7 – Samstag, 13. Februar 2016
The Myth of the Old South – Charleston nach Macon
„Charleston is an amazing place. I probably didn’t appreciate it enough when I was growing up.” – Thomas Gibson
Die Sonne ist zurück und strahlt von einem knallblauen Himmel. Und da der Tag gestern ja gar nicht zum Fotografieren geeignet war, entschließe ich mich dazu, mein Programm umzuwerfen, ja sogar die Route abzuändern und Hotels umzubuchen. Ich fahre noch einmal nach Charleston. Schon als ich in der Stadt ankomme weiß ich, dass das die richtige Entscheidung war. Besseres Fotowetter hatte ich selten in Charleston.
Ich stelle das Auto an der South Battery ab. Hier ist das Parken überall kostenlos und auf einer Straßenseite sogar ohne Zeitbeschränkung. Toll, dass sich das in all den Jahren noch nicht geändert hat. Es ist frisch heute Morgen, die dicke Jacke muss schon mit, aber die Sonne wärmt und die Freude über das geniale Licht ist einfach nicht zu toppen. Ich nehme mir vor, eine Runde durch die südliche Stadt zu laufen. Eine Karte brauche ich hier nicht, dazu war ich schon zu oft hier, als das ich nicht wüsste, wo ich lang will. Ich starte am White Point Garden, der hier das Ende der Halbinsel bildet, auf der die Altstadt von Charleston liegt, und von wo man den Zusammenfluss von Ashley und Cooper sehen kann. Hier steht auch ein weiteres Denkmal für General Moultrie.
Ich biege in die East Battery ein. Gleich an der Ecke steht eines der wunderschönen Altstadthäuser, das Louis DeSaussure House. 1859 wurde es gebaut und bereits 1865, während der Evakuierung der Stadt am Ende des Bürgerkrieges, stark beschädigt, als eine Kanone in der Nähe explodierte. Das Haus wurde renoviert, doch beim großen Erdbeben 1886 wieder beschädigt. Nach dem Erdbeben kaufte es Bernard O’Neill und ließ die Balkone sowie die Fensterverzierungen anbauen.
Das nächste Antebellum House an der East Battery ist das John Ravenel House. 1848 wurde es für die Familie Ravenel gebaut und zählte damals wie heute zu den besten und teuersten Grundstücken der Stadt. Heute ist das Haus ein Bed&Breakfast und steht, anscheinend, für $7.000.000 zum Verkauf. KLICK
Gleich daneben steht das 1838 errichtete Robert William Roper House, für mich immer noch eines der schönsten Häuser in Charleston. Da es gebaut wurde, bevor die zwei Häuser vor ihm errichtet wurden, war es einst das erste Haus, das Besucher sahen, wenn sie mit dem Schiff nach Charleston kamen, genauso wie von Roper geplant.
Die East und South Battery sind heute von einer Seawall umgeben, die das Gebiet vor eindringendem Wasser schützt, denn Charleston liegt in einem Gebiet, das auch von Hurrikanen heimgesucht wird. Die zwei schlimmsten in letzter Zeit waren Hurrikan Joaquin in 2015, der viele Teile der Stadt unter Wasser setzte, und der noch immer unvergessene Hurrikan Hugo, der die Stadt am 22. September 1989 als ein Category 4 Hurricane traf. An der Seawall gibt es eine Gedenkplatte für die Toten, die in der Stadt zu beklagen waren. Noch heute ist er der zerstörerischte Hurrikan, der South Carolina je traf.
Auch am Edmondston-Alston House komme ich noch einmal vorbei. Heute erstrahlt das 1828 erbaute Haus in seiner ganzen Pracht. Das Haus hat neben seiner Verbindung zur Middleton Plantage noch einen anderen, ganz besonderen, Platz in der Geschichte. General P.T. Beauregard, seines Zeichens Kommandant der Konförderierten, stand am 12. April 1861 auf dem Balkon dieses Hauses, um das Bombardement von Fort Sumter zu beobachten, das auf seinen Befehl hin stattfand.
Einige wenige Häuser im südlichsten Zipfel der Altstadt von Charleston sind aber auch erst nach dem Civil War erbaut worden. Sie grenzen sich besonders durch ihre, meist viktorianische, Bauweise ab. Dazu gehört das Charles Drayton House, das zwischen 1885 und 1886 gebaut wurde. Es gehörte Charles Henry Drayton, der mit 5 Jahren die Drayton Hall Plantation erbte, sie nach dem Bürgerkrieg erfolgreich in einen Bergbaubetrieb umbaute, und so weiterhin ein Vermögen zur Verfügung hatte.
Eines der letzten Häuser, das einen unverbauten Blick auf den Cooper River hat, ist das Porcher-Simonds House. 1856 für Francis Porcher erbaut, wurde es 1890 umfassend von John Simonds renoviert und umgebaut. 1982 wurde es ein weiteres Mal renoviert und in drei Wohnungen aufgeteilt.
Nach ein paar hundert Metern geht die East Battery in die East Bay Street über. Die Häuser grenzen nicht mehr an den Cooper River, denn hier wurde Land aufgefüllt. Trotzdem sind sie weiterhin wunderschön anzusehen. An einigen Häusern kann man die typischen Merkmale der Erdbebenreparatur erkennen.
Es war der 31. August 1886 gegen 9:50pm als die Erde in Charleston zu beben begann. 7.0 auf der Richterskala werden später festgestellt werden. Es war eines der stärksten Erdbeben an der US-Ostküste. Viele Gebäude wurden zerstört, andere nur beschädigt. Und da die Bürger von Charleston nach dem Ende des Civil War nicht mehr so viel Geld zur Verfügung hatten, mussten sie ihre Häuser reparieren anstatt abzureißen und neuzubauen. Heute als ein Glücksfall anzusehen, denn sonst wäre die Stadt kaum so perfekt erhalten. Bei den meisten Häusern wurden sogenannte „Earthquake Bolts” in die Häuser eingefügt, um das Mauerwerk zu stabilisieren. Und die sieht man heute auch noch.
Ein Stück weiter erreiche ich die berühmte Rainbow Row. Die 13 Häuser gehören zu den meist fotografierten in der ganzen Stadt. Nach dem Civil War verkam diese Gegend fast zu einem Slum, doch in den 1920er Jahren wurde sie revitalisiert und in karibischen Pastelltönen gestrichen.
An der Broad Street biege ich links ab. Hier endet der reine Wohnbezirk des südlichen Charleston und es mischen sich auch Geschäftshäuser unter die Bauten. Besonders an den Hauptstraßen sind die unteren Geschosse nun von Läden belegt.
Schließlich erreiche ich Four Corners of Law, so wird die Kreuzung von Broad und Meeting Street genannt. Hier stehen die zwischen 1752 und 1761 erbaute St. Michael’s Episcopal Chruch, die zwischen 1800 und 1804 erbaute City Hall, das 1792 errichtete Charleston Courthouse sowie das Post Office und Federal Courthouse aus dem Jahr 1896.
Ich biege in die Meeting Street ein, eine der wohl schönsten Straßen der ganzen Stadt, und erreiche das Branford-Horry House. Das Haus ist einmalig in Charleston, denn er hatte ursprünglich keine Balkone. Die wurden erst 1830 angebaut und reichen über den Gehweg. Das gibt es sonst nirgendwo in der Stadt.
Gleich daneben steht die 1814 erbaute First Scots Presbyterian Church, die heute fünftälteste Kirche der Stadt. Inspiriert wurde der Bau von der Baltimore Basilica und als Symbol für seine schottischen Erbauer hat die Kirche Disteln in den Buntglasfenstern.
Ich gehe weiter und komme noch einmal am 1808 erbauten Nathaniel Russell House vorbei, das heute ein Museum ist.
Ich komme nur langsam voran, während ich durch die Meeting Street laufe, denn jedes Haus ist hier ein Schmuckstück und wartet geradezu darauf fotografiert zu werden.
Besonders schöne Exemplare sind auch das Josiah Smith House, das Calhoun Mansion, das John Edwards House und das George Robertson House. Das Calhoun Mansion ist das Einzige, das auch besichtigt werden kann. Es ist als das größte Wohnhaus in Charleston bekannt und wurde als das Hazard’s Mansion aus Fackeln im Sturm weltbekannt.
Ich beende meinen Rundgang an der South Battery, wo ich auch gestartet bin.
Eines der schönsten Häuser hier ist das 1853 im italienischen Stil erbaute Colonel John Algernon Sydney Ashe House.
Nur wenige Grundstücke weiter steht das schöne John Ashe House, das von seinem Vater erbaut wurde. Das Haus wurde 2015 für unglaubliche $7.72 Millionen verkauft und wurde damit zum teuersten Wohnhaus in Charleston.
Eines der wenigen Häuser in dem man auch übernachten kann, ist das Stevens-Lather House. 1843 erbaut ist es heute ein Bed&Breakfast. Allerdings liegen die Zimmerpreise aller Häuser in dieser Gegend bei $250 und aufwärts pro Nacht.
Zum Schluß erreiche ich noch einmal mein absolutes Lieblingshaus. Viele Jahre war es in einem etwas heruntergekommenen Zustand. Eigentlich kannte ich es nie anders. Doch die Überraschung war groß für mich, denn nun erstrahlt die 1892 erbaute Villa Margherita wieder in alten Glanz. Später lese ich, dass es in 2013 für $3 Millionen an neue Eigentümer verkauft wurde.
Als nächstes fahre ich zum Waterfront Park. Das Gebiet gehörte einst zum Hafen, heute ist hier nur noch der Kreuzfahrtanleger. Der Containerhafen liegt weiter nördlich. Viele Jahre verkam die Gegend und schließlich gab es hier nur noch unbefestigte Parkplätze. Seit 1975 begann die Stadt das Gebiet aufzukaufen und hier einen Park einzurichten. Dieser wurde 1990 schließlich eröffnet. Hier steht auch die berühmte Pineapple Fountain, die ich besuchen möchte.
Ich entschließe mich nochmals zum Joseph Manigault House zu fahren, denn im heutigen Licht sieht das bestimmt viel schöner aus. Und so ist es auch. Da drücke ich auch hier mehrmals auf den Auslöser.
Über die Arthur Ravenel Bridge fahre ich nun nach Mount Pleasant und dann weiter nach Sullivan’s Island. Hier liegt Fort Moultrie, das gebaut wurde, um zusammen mit Fort Sumter, Castle Pinckney und Fort Johnson die Hafeneinfahrt von Charleston zu schützen.
Ich gehe zuerst um das Fort herum, das ich bereits 2010 einmal besucht habe. Heute ist das Wetter aber noch schöner als damals und so macht das richtig Spaß. Und wieder ist am Morgen so gut wie niemand unterwegs.
Neben dem Fort steht die sogenannte Canon Row. Die 8 Kanonen repräsentieren Waffen des Civil War und gehören zur Sammlung des Parks. Der Bürgerkrieg war der erste Konflikt, in dem neue und moderne Technologien eingesetzt wurden, die die Schlagkraft und Reichweite von großen Waffen für immer veränderten.
Nach dem Rundgang gehe ich in das Fort hinein. Neben dem Eingang befindet sich die Grabstelle des Häuptling Osceola, der im 2. Semiolenkrieg gefangen genommen wurde, hier im Gefängnis saß und schließlich starb.
Von Fort Moultrie habe ich einen guten Blick auf Fort Sumter mitten in der Hafeneinfahrt von Charleston.
Die Fahne, die über dem Fort weht, ist übrigens immer eine Besondere. Am Eingang wird erklärt, welche gerade zu sehen ist. Als ich in 2010 hier war, wehte die Palmetto Flag. Dieses Mal ist es eine Flagge mit 15 Sternen und 15 Streifen. Es war die offizielle Fahne der USA von 1795 an für 23 Jahre, nachdem Vermont und Kentucky als erste Staaten nach den 13 Kollonien in die Union aufgenommen wurden. Erst als 1818 fünf weitere Staaten beitraten, wurde vom Kongress beschlossen, die Zahl der Streifen wieder auf 13 zu reduzieren und nur noch die Anzahl der Sterne zu ändern. Eine weise Entscheidung, wenn man die heutigen 50 Staaten denkt.
Fort Moultrie wurde ebenfalls nach dem Bürgerkrieg in den 1880er Jahren grundlegend modernisiert und neue Geschützstellungen wurden errichtet. Das Fort war auch in beiden Weltkriegen besetzt.
Im 2. Weltkrieg wurde von hier der Schutz der Küste gegen deutsche U‑Boote organisiert. Die unterirdische Kommandozentrale kann heute besichtigt werden.
Ich verlasse das Fort und fahre zurück nach Mount Pleasant. Hier liegt die Charles Pinckney National Historic Site, die einen Teil der Snee Farm schützt, dem Heim von Charles Pinckney, der maßgeblich an der Ausarbeitung der amerikanischen Verfassung beteiligt war.
Im Haus ist ein kleines Museum eingerichtet, das die Geschichte des Pinckneys erzählt. Auch einige Wanderwege führen über das Grundstück.
Auch wenn es schwer fällt, ich muss mich von Charleston trennen, denn selbst wenn ich nun nur noch bis Macon fahren will, liegt doch noch ein ganzes Stück Weg vor mir. Erst in Beech Island unterbreche ich die Fahrt wieder. Hier liegt die Redcliffe State Historic Site.
Ich parke mein Auto und erkunde das Gelände. Dabei stolpere ich im wahrsten Sinne des Wortes über diesen kleinen Grabstein für die Hunde des letzten Eigentümers.
Nur einige wenige Außengebäude der Plantage sind heute noch erhalten. Dazu zählen ein zur Garage umgebautes Haus, eine Stallung sowie eine Sklavenunterkunft, in der später Angestellte wohnten. Darin zu finden ist ein kleines Museum zu den Bediensteten von Redcliffe.
Redcliffe Plantation wurde 1857 für James Henry Hammond erbaut und war danach für 3 weitere Generationen das Zuhause der Familie. Sein Urgroßenkel John Shaw Billings schenke das Haus 1973 dem Staat South Carolina, der die Plantage als State Park für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht hat.
Eigentlich hatte ich vor, die Plantage nur von außen anzusehen, denn ich musste ja auf Grund der Umplanungen irgendwo Zeit einsparen. Doch in einer halben Stunde soll es eine Führung durch das Haus geben. Da kann ich nicht wiederstehen und kaufe ein Ticket.
Das Haus ist heute so eingerichtet, wie John Shaw Billings es verlassen hat. Er und sein Frau hatten keine Erben, da ihre einzige Tochter schon als 3‑jährige starb.
Die Führung dauert eine gute Stunde und so verlasse ich die Plantage viel später als gedacht. Aber was soll’s, es hat Spaß gemacht und ich bedauere den Stopp keinesfalls.
Ich verlasse South Carolina und überquere die Staatsgrenze nach Georgia. Am späten Nachmittag erreiche ich schließlich Augusta, wo das Haus steht, in dem Präsident Woodrow Wilson seine Kindheit verbrachte. Das habe ich gelernt, als ich in 2014 sein Geburtshaus besuchte. Für eine nähere Besichtigung ist es, auf Grund der Planänderung, aber leider zu spät.
Es gäbe zwar in Augusta noch einiges mehr zu sehen, doch heute ist es einfach schon zu spät. Und so fahre ich nur kurz durch das Stadtzentrum bevor es weiter geht in das Herz von Georgia.
Erst im Dunkeln erreiche ich Macon, wo ich das Courtyard reserviert habe. Und zum Glück habe ich eine Reservierung, denn aus irgendeinem Grund ist hier alles ausgebucht.
Meilen: 333
Wetter: sonnig, 33–52 Grad
Hotel: Courtyard by Marriott Macon