Tag 3 – Dienstag, 9. Februar 2016
Island Life – Palm Coast nach Jekyll Island
„I thought to live on an island was like living on a boat. Islands intrigue me. You can see the perimeters of your world. It’s a microcosm.” – Jamie Wyeth
Ersten kommt es anders und zweitens als man denkt, so ungefähr beginnt der heutige Tag, denn geplant war das eigentlich etwas anders. Eigentlich hatte ich vor Fort Matanzas zu besuchen, das schon sehr, sehr lange auf meiner „Bucket List” steht, doch die Überfahrt ist heute aufgrund des starken Windes nicht möglich und man kommt dort nur mit dem Boot hin. Also bleibt es weiter auf der Liste und ich fahre gleich Richtung Norden. Nächster Stopp ist Fort Caroline, das ich bereits 2010 schon einmal besucht habe. Auf Grund des wirklich heftigen Windes erspare ich mir einen weiteren Hike zum Fort, denn dazu muss man durch ein Waldstück und auf dem Pfad liegen schon recht viele Äste. Ich fahre nur zum Aussichtspunkt, der an die Ankunft der Franzosen erinnert.
Am Morgen des 5. Mai 1562 sah der Franzose Jean Ribault zum ersten Mal den St. John’s River. Er nannte ihn River of May. Einen Tag später nahmen Ribaults Männer das Gebiet für die Franzosen in Besitz und errichten einen Gedenkstein. Damit begann ein Rennen zwischen den Franzosen und den Spaniern um die Besiedlung von „La Florida”, das die Franzosen 1565 verloren. Während dem Zwischenfall südlich von St. Augustine, der als das Matanzas Massaker in die Geschichte einging, wurde auch Ribault getötet.
Fort Caroline gehört zum Timucuam Ecological and Historic Preserve, das sich rund um Jacksonville erstreckt. Über die Dame Point Bridge fahre ich zu einem anderen Teil des Schutzgebietes. Auf der Brücke ist der Wind noch viel mehr zu spüren und ich muss richtig entgegensteuern, denn er rüttelt regelrecht am SUV. Für LKW ist deshalb manchmal sogar vor der Brücke Schluss, die seit 1989 den St. John’s River überspannt. Über drei Kilometer ist die Brücke lang und ragt über fünfzig Meter in die Höhe.
Nur wenige Minuten später erreiche ich die Kingsley Plantation, die ebenfalls zum Schutzgebiet gehört. Von 1814 bis 1837 lebten Zephaniah und Anna Kingsley hier und bauten Baumwolle und Indigo an.
An der Einfahrt zur Plantage komme ich an diesen Ruinen vorbei, die aus „Tabby” sind. Der Baustoff wurde hier im Süden oft verwendet und war als besonders haltbar angesehen. „Tabby” wird aus einer Mischung von Wasser, Asche, Sand und Muscheln hergestellt. Daraus entsteht ein Baustoff, mit dem viele Gebäude errichtet wurden. So auch die Sklavenunterkünfte, an denen ich als Nächstes vorbeikomme.
Schließlich erreiche ich einen großen Parkplatz, wo ich mein Auto abstelle. Von hier geht es zu Fuß weiter. Zuerst zu einem der Nebengebäude der Plantage. Hier waren die Küche, die Waschküche sowie weitere Unterkünfte für Bedienstete untergebracht.
Ein paar Meter weiter stehe ich vor dem St. Johns River, ein traumhafter Ausblick, fast wie vor 200 Jahren. Hier ist noch nichts verbaut oder einbetoniert. Der größte Teil des Gebietes steht sowieso unter Schutz. Und diesen Blick hat man auch vom Plantagenhaus, das momentan leider nur von außen besichtigt werden kann.
Bevor ich Florida verlasse, steuere ich noch ein weiteres Ziel an und das wird die wahre Überraschung heute. Schon lange habe ich vor, Amelia Island einmal etwas genauer zu erkunden, doch irgendwie hat es nie geklappt. Letztes Mal, als ich in der Gegend war, schüttete es wie aus Kannen. Heute weht zwar ein heftiger Wind und es ist auch nicht sonderlich warm, aber die Sonne brennt geradezu von einem knallblauen Himmel. So lande ich als Erstes am Fort Clinch State Park an der Nordspitze der Insel.
Nach der Einfahrt in den Park sieht es allerdings erst einmal so gar nicht nach Fort aus, eher nach Dschungel. Ich folge der Straße über diese tolle Allee.
Nach ein paar Meilen lande ich dann auf einem Parkplatz. Hier befinden sich ein Visitor Center und ein kleines Museum. Zusätzlich zum State Park Eintritt, muss ich nochmals zwei Dollar zahlen, wenn ich das Fort besuchen will. Danach führt ein kleiner Pfad hinter dem Gebäude zum eigentlichen Fort.
Fort Clinch wurde 1847 bis 1869 erbaut und steht an der Einfahrt zum Cumberland Sound, an der äußersten Nordspitze von Amelia Island. Das Fort ist fünfeckig errichtet und hat Außen- und Innenmauern. Es war Teil einer großangelegten Kampagne zum Schutz der amerikanischen Ostküste.
Das Fort ist heute in einem sehr guten Zustand, nachdem in den 1930er Jahren restauriert wurde. Seit 1938 ist es für die Öffentlichkeit zugängig.
Nachdem ich ein paar der Gebäude rund um den Eingang besichtigt habe, steige ich nach oben zu den Kanonen. Huh, hier weht der Wind extrem heftig. Teilweise schaffe ich es kaum einen Fuß vor den anderen zu setzen. So schaue ich mich nur kurz hier um und begebe mich dann wieder in den relativen Schutz der Fortmauern.
Ich laufe noch ein Stück außen um das Fort herum. Doch auch hier ist der Wind so stark, dass ich bald umkehre, zumal auch das Fotolicht nur suboptimal ist.
Das Fort zu besuchen, hat sich auf jeden Fall gelohnt. Nur ein paar Meilen weiter liegt der Hauptort von Amelia Island, Fernandina Beach. Ich fahre die Hauptstraße entlang und es gefällt mir auf Anhieb, sodass ich das Auto zügig in einer Parklücke abstelle und mich zu Fuß auf den Weg mache.
Das goldene Zeitalter von Fernandina Beach begann 1858 mit dem Bau der Florida Railroad. Auch in viktorianischer Zeit war es ein beliebtes Seebad. Heute sind viele der historischen Gebäude liebevoll restauriert und es macht richtig Spaß hier umherzulaufen.
Ich laufe zum Visitor Center, denn hier arbeitet eine Dame, die ich im vergangenen Jahr auf der ITB in Berlin kennengelernt habe. Ich möchte mal nachfragen, ob sie vielleicht da ist. Ist sie leider nicht, doch die nette Dame am Empfang stellt eine Verbindung per Videotelefon her, sodass wir wenigstens kurz miteinander sprechen können. Das Visitor Center ist übrigens im ehemaligen Bahnhofsgebäude untergebracht.
Für vierbeinige Besucher wird hier auch gesorgt.
Im wunderschönen Post Office kaufe ich gleich noch ein paar Briefmarken.
Etwa sechs Blocks erstreckt sich der Business District, danach beginnt sich das Stadtbild zu wandeln und es stehen viele wunderschöne Villen rechts und links der Straße. Darunter das Lesesne House. Etwa 1860 erbaut, ist es eines der ältesten Gebäude des Städtchens.
Im Jahr 1909 wurde die Villa Las Palmas für den Nathaniel B. Mann erbaut. Sie steht in einem Wohngebiet, das heute komplett unter Denkmalschutz steht und in dem ich noch viele weitere Schmuckstücke entdecke.
Doch irgendwann muss ich aufbrechen, denn ein Stückchen Weg habe ich noch vor mir. Da es noch früh am Tag ist, beschließe ich allerdings noch nicht nach Jekyll Island zu fahren, wo ich heute übernachten will, sondern auf das benachbarte St. Simons Island. Ich ahne nicht einmal, wie sehr ich diese Entscheidung noch bereuen werde. Nun ja, hätte ich den Leuchtturm zuerst besucht und dann das Frederica Monument, wäre es vielleicht nicht ganz so schlimm geworden, aber so endete das Ganze irgendwie im Desaster.
Aber von vorn. Erst einmal erreiche ich die Sidney Lanier Bridge, eine weitere dieser riesigen Brücken, die man hier in den letzten Jahren in die Landschaft gesetzt hat, um alte Zugbrücken abreißen zu können. Ich kenne das Gebiet noch ohne die riesige Brücke und weiß bis heute nicht so recht, was ich davon halten soll. Irgendwie sind diese Brücken ja faszinierend, aber andererseits finde ich sie irgendwie auch störend. Fast wie ein Wolkenkratzer, den man in eine liebliche Landschaft pflanzt.
Die Sidney Lanier Bridge wurde 2003 eröffnet und ist mehr als zwei Kilometer lang. Unter der Brücke verläuft die Einfahrt zu einem der großen Containerhäfen in Georgia. Das war auch einer der Gründe für den Neubau. Es kam vorher zu Kollisionen mit der alten Brücke, die darin endeten, dass Teile zerstört wurden und sogar Opfer zu beklagen waren. So führt die US 17 nun heute in vier Spuren hoch über das Land. So hoch, dass man weit über das flache Land schauen kann und fast meint, die Erdkrümmung zu erkennen.
Schon als ich St. Simons Island erreiche, staut sich auf der Gegenfahrbahn schon der Verkehr. Doch noch ahne ich nicht, was das noch für mich bedeuten wird. An der Brücke wurde zwar eine Umleitung ausgeschildert und vor Verzögerungen gewarnt, doch das, was hier abläuft, ist einfach unglaublich. Schon im Visitor Center des Fort Frederica National Monument klagt mir die Rangerin ihr Leid, denn die Straße ist ihr täglicher Arbeitsweg. Mir schwant bereits übles, aber da ich nun schon mal hier bin, beschließe ich, mir das Gelände auch anzusehen.
Fort Frederica ist eine Siedlung aus der britischen Kolonialzeit. Viel ist davon allerdings nicht erhalten. Größtenteils sind auf dem Gelände nur ausgegrabene Fundamente zu entdecken. Am beeindruckendsten finde ich, dass man auch nach all der Zeit noch die Straßenzüge erkennen kann. Und auf so einer Straße wandele ich auf dem Broadway entlang, durch die Stadt, in Richtung Fort.
Das Fort wurde 1736 von den Briten am Ufer des Frederica Rivers erbaut. General James Ogelthorpe war es, der hier eine Stadt gründete. Er war auch Gründungsvater der Kolonie Georgia und deren Gouverneur. Benannt wurde der Ort nach Friedrich Ludwig von Hannover, der als Frederic Louis, Prince of Wales bekannt war. Man wählte jedoch die weibliche Form, um eine Verwechslung mit Fort Frederick in South Carolina auszuschließen.
Bereits 1748 wurden das Fort und der Ort allerdings wieder verlassen. Nachdem Briten und Spanier einen Friedensvertrag schlossen, wurde es nicht mehr gebraucht und die Bewohner verließen diesen heißen und von Mücken verseuchten Ort. Viele siedelten um oder kehrten gar nach Europa zurück. Fort Frederica verfiel und war lange Zeit vergessen. Erst 1936 erinnerte man sich an dieses bedeutende Stück Geschichte und Präsident Roosevelt erklärte Fort Frederica schließlich zum National Monument.
Die Teile der Festung, die heute noch stehen, sind Rekonstruktionen, um Besuchern einen besseren Eindruck des Forts zu vermitteln.
Es ist erst 15:30 Uhr als ich das National Monument wieder verlasse und ich male mir aus, dass ich es auch noch zum Leuchtturm schaffen werde. Doch nach nur einigen Metern Fahrt ist erstmal Schluss – Stau. Noch denke ich mir nicht so viel dabei, denn schon auf der Hinfahrt hatte ich gesehen, dass der Verkehr hier stockte und wegen einer Baustelle die Umgehungsstraße nicht nutzen konnte. Als ich aber nach einer halben Stunde gerade mal zehn Meter zurückgelegt habe, ahne ich langsam böses. Es geht einfach überhaupt nicht voran und bis zur Straße, die von der Insel führt, sind es noch drei Meilen. Hört sich nicht viel an, aber momentan ist es fast unüberwindbar. Es gibt auch keinen Ausweg, nicht mal über Nebenstraßen. Das ist der einzige Weg runter von der Insel. Nach gut neunzig Minuten habe ich eine Meile zurückgelegt. Langsam bin ich nicht mal mehr frustriert, sondern resigniere und ergebe mich meinem Schicksal. Es hat ja keinen Zweck. Letztendlich dauert es sage und schreibe fast drei Stunden die drei Meilen zurückzulegen. Nicht nur der Leuchtturm muss ausfallen, auch auf Jekyll Island komme ich nur noch im Dunkeln an. Ich checke im Hampton Inn und bekomme ein schönes Upgrade auf eine Minisuite mit Balkon.
Leider ist es heute Abend etwas frisch, sodass ich das draußen sitzen nicht lange genießen kann. Doch ein wenig lausche ich den Wellen noch, die auf den nahen Strand treffen.
Meilen: 230
Wetter: sonnig, 45–56 Grad
Hotel: Hampton Inn Jekyll Island