Tag 17 – Dienstag, 23. Februar 2016
Missile Crisis – Coral Springs nach Miami
„During the Cuban Missile Crisis, decisions made by President John F. Kennedy and Soviet leader Nikita Khrushchev could have plunged both countries into thermonuclear war.” – Ronald Kessler
Der Wetterbericht hatte es bereits gestern angekündigt, heute soll das Wetter eher bedeckt sein. Und das bestätigt sich auch, als ich aus dem Fenster auf den Golfplatz schaue.
Ich mache mich trotzdem auf den Weg Richtung Süden. Zuerst fahre ich über die I‑75, später auf den Turnpike. So erreiche ich schließlich Florida City und den allseits bekannten Stand von „Robert is here”. Dort kaufe ich natürlich einen der leckeren Fruit Smoothies.
Nur kurze Zeit später erreiche ich schließlich den Everglades National Park. Ich fahre zum Anhinga Trail und hoffe auf ähnlich viele Tiere wie vor drei Jahren.
Doch irgendwie ist heute nichts wie vor fast genau 3 Jahren. Es zeigt sich kaum ein Tier. Mit Mühe und Not sehe ich ein paar, aber kein Vergleich zum letzten Besuch. Dabei bin ich doch zur selben Jahreszeit hier? Ein Ranger meint zwar es läge am Wetter, aber das kann ich kaum glauben. Räumen die Anhingas dann etwa ihre Nester weg? Keine Ahnung, woran es wirklich lag, aber die Ausbeute war schon sehr mager.
Auf dem Weg zum Anhinga Trail bin ich an einem Schild vorbeigekommen, dass zur Nike Missile Base führte. Das hatte ich hier noch nie gesehen und neugierig wie ich bin, schaue ich gleich mal auf dem Handy nach, was sich dahinter verbirgt. Ich staune nicht schlecht, als ich die Geschichte lese und beschließe, mir das einmal genauer anzusehen. Irgendwie erinnert mich das alles sehr an den Kinofilm 13 Days.
So fahre ich also erst einmal diese einsame Straße mitten durch die Pampa in den Everglades. Nun war ich schon ein halbes Dutzend Mal im Park, aber hier war ich noch nie.
Der Treffpunkt für die Tour zur Missile Base soll hier sein, an diesem pinken Gebäude, das heute von Wissenschaftlern genutzt wird. Als ich ankomme stehen bereits 2 RVs sowie ein Auto am Straßenrand. Ich stelle mich dazu und erfahre bald, dass auch diese Leute auf die Tour warten. Wenig später gesellen sich noch 2 Fahrzeuge dazu und dann erscheint John, ein Volunteer, der hier Touren durchführt. Er gibt uns eine kurze Einführung zum Gebiet.
Auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges wurden hier, mitten in den Everglades, Antiaircraft-Raketen stationiert, um einen Angriff mit Atombomben der Soviets von Kuba aus abzuwehren. Nur so viel, im Laufe der Tour bekommt man mit, wie unsinnig und unmöglich dieses Unterfangen eigentlich war. Eine Rettung hätte es im Fall eines Angriffs für den Süden nicht wirklich gegeben. Aber zurück zur Tour. Die startet hier vor eben jenem Gebäude, das einst die Kommandozentrale für die 100 stationierten Soldaten war. Warum es pink ist? Das weiß keiner mehr so genau, aber die zwei gängigsten Theorien sind einerseits, dass die Frau des Kommandanten die Farbe so mochte oder auch, dass diese Farbe damals, schnell, in großen Mengen und billig zu bekommen war.
Dann schwingen wir uns wieder in unsere Fahrzeuge und folgen John im Konvoi, denn bis zur eigentlichen Base sind es noch ein paar Meilen Weg. Die Straße macht kurz davor plötzlich eine 90 Grad Biegung, die eigentlich gar keinen Sinn ergibt. John erklärt uns, dass das Methode war. Jeder muss vor so einer Kurve bremsen und so hätten potentielle Angreifer nicht einfach ungebremst auf das Tor zusteuern können.
Dann erreichen wir die Base. Gleich hinter dem Tor stellen wir die Autos ab. John warnt uns erst einmal aufzupassen, wo wir hintreten. Im Gras gäbe es sehr viele Schlangen, auch giftige und man solle möglichst auf den asphaltierten Wegen bleiben. Ich mache das mal lieber auch.
Zuerst laufen wir nur bis zu diesem Schild, wo John sehr viel zur Base erklärt. Allerdings geht er schon sehr in Detail und ich würde gerne erstmal weiter. Ja, ich gebe es zu, ich bin ungeduldig und würde lieber beim Laufen lauschen, als hier nur zu stehen. Zumal es auch ziemlich heiß und drückend ist heute, eigentlich untypisch für diese Jahreszeit.
Die Base, deren offizieller Name Nike Missile Site HM-69 war, wurde durch einen doppelten Zaun und mit allerhand Technik geschützt. Wichtigster Schutz aber waren Soldaten und ihre speziell trainierten Hunde. Die Ausführungen dazu waren sehr interessant. So gehorcht jeder Hund nur seinem Handler. Stirbt dieser, muss meistens auch der Hund eingeschläfert werden, da er unkontrollierbar wird. Geht der Handler in Rente, geht auch der Hund in Rente. Meist mit seinem Herrchen. Diese Hunde sind übrigens Soldaten und ein Angriff auf sie wird auch als solcher gewertet.
Wir laufen zu diesen zwei Gebäuden. Das Kleinere ist die Unterkunft der Hunde gewesen oder zumindest das, was davon übrig ist, denn bevor die Anlage unter Denkmalschutz gestellt wurde, wurde leider schon einiges abgerissen. Das zweite Gebäude war eine Art Lager, an dem noch heute ein Graffiti der Soldaten zu sehen ist.
Der Job hier draußen war übrigens kein Zuckerschlecken. Es war heiß, es war feucht und es krabbelten viele, auch giftige, Tiere herum. Ein schönes Dienstumfeld sieht anders aus. Besonders wenn man bedenkt, dass viele Soldaten in einfachen Zelten untergebracht waren und nur einmal die Woche zum Duschen nach Florida City gefahren wurden. John beschreibt das alles sehr eindrücklich. Auch die Stimmung hier draußen weiß er zu vermitteln. Den jungen Männern war klar, sollten die Soviets angreifen, hätten sie hier nicht die geringste Chance.
Wir erreichen einen der Hangars, in den die Raketen untergebracht waren. Die waren nötig, denn eine Stationierung unter der Erde war auf Grund des Wassers in den Everglades nicht möglich. Drei davon gibt es auf dem Gelände, doch die anderen zwei sind nicht restauriert. Schon von weitem kann man die Rakete sehen. Irgendwie unheimlich, wenn man bedenkt, warum das alles hier ist.
Wir treten näher und werden von weiteren Volunteers begrüßt. Die älteren Herren haben hier vieles in liebevoller Kleinstarbeit restauriert, um dieses Stück Geschichte für die Nachwelt zu erhalten. Viele von ihnen sind selber Veteranen und können sich noch genau an diese Zeit des Kalten Krieges erinnern.
Im Hangar zu sehen ist ein breites Sammelsurium an Artefakten von der Base. Einige sind restauriert, andere zeigen, wie der Zahn der Zeit an ihnen genagt hat. Und wenn man das alles so sieht, ist es fast unglaublich, wie es funktioniert hat, mit Computern und Gerätschaften, die nicht mal ein Zehntel von dem konnten, was heute ein Handy kann.
Fotos geben einen besseren Eindruck von der Zeit damals. Die Base wurde auch „Hole in the Donut” genannt, denn sie war komplett vom Everglades NP umschlossen, damals aber nicht im Park. Das Gelände einer alten Farm wurde für den Bau genutzt.
Geschlossen wurde die Nike Missile Site 1979, als sich die Lage im Kalten Krieg entspannte und ein Atomschlag nicht mehr so wahrscheinlich schien. Danach hat sie lange Jahre vor sich hingerottet. Erst 2004 wurde sie im National Register of Historic Places aufgenommen und zum einem Teil des Everglades NP erklärt.
Wieder draußen ist es noch heißer uns schwüler geworden. John deutet auf einen Zaun hinter uns und erklärt, dass sich dort ein riesiges Wasserbecken befindet, das heute fast gänzlich zugewuchert ist. Und dies sei auch der Ort, wo die meisten Anakondas im Park entdeckt wurden, auch die längste jemals gefundene, die mehrere Meter lang war. Mich schüttelt es, wenn ich nur daran denke und ich bin froh über den Zaun.
Bevor wir zurück zu den Autos gehen spurte ich zusammen mit ein paar anderen Besuchern noch schnell zu einem der anderen Hangars. Neugier halt, denn zu sehen gibt es nicht allzu viel.
Dann geht es zurück zu den Autos, wo wir uns von John verabschieden. Er hat einen tollen Job gemacht, er und alle Volunteers, die diesen Teil der Weltgeschichte so eindrücklich erhalten.
Jetzt meldet sich aber der Hunger und so lande ich in Florida City noch schnell bei Panda Express. Kaum bin ich im Laden, öffnet der Himmel seine Schleusen. Glück gehabt.
Ich lasse mir inzwischen mal mein Orange Chicken schmecken und lange regnet es dann auch nicht, sodass ich die Fahrt im Trockenen fortsetzen kann.
Dann geht es für mich aber endgültig zurück nach Miami. Einen kurzen Stopp lege ich noch an der City Hall ein. Die kennen viele Besucher gar nicht, dabei hat auch sie eine bewegende Geschichte.
Eigentlich war das Rathaus von Miami ein Flughafenterminal. Er stand auf Dinner Key, das bis 1914 eine Insel war, bevor es mit dem Festland verbunden wurde. Aber zurück zum Gebäude, dem man noch heute seinen Ursprung ansieht. Gebaut wurde es als Terminal der Pan American Seaplane Base. Vorher wurde die Base schon von 1914–1926 von der Navy genutzt, aber erst Pan Am machte den Ort weltbekannt. Die damals junge Airline erwarb die Flugroute New York – Rio – Buenos Aires und flog von hier mit Twin-Engine Commodore Flugbooten nach Südamerika. Und ein Drehkreuz für Flüge nach Südamerika ist Miami ja heute noch. Diese Flugboote wurden übrigens genutzt, weil es in Südamerika so gut wie keine Landebahnen gab. In den 40ziger Jahren begann das Geschäft zurückzugehen, denn auch in Südamerika wurden Flugplätze gebaut. Der letzte Flying Clipper von Pan Am startete schließlich am 9. August 1945 und beendete eine Ära. Bereits 1946 kaufte die Stadt Miami die Insel und seit 1954 ist im Terminal das Rathaus der Stadt untergebracht.
Dann aber erreiche ich Coconut Grove, wo ich das Residence Inn über meine Freiübernachtung, die ich mir während dieser Tour verdient habe, gebucht habe. Ansonsten könnte ich mir auch dieses super schöne Viertel von Miami wohl kaum leisten, so aber kostet mich das alles nichts. Und was ich bekomme, ist mehr, viel mehr, als ich eigentlich gebucht habe. Wieder einmal gibt man mir noch ein kostenloses Upgrade, sodass ich eine 2‑Bedroom Suite mein Eigen nenne.
Und was für eine. Sogar 2 Bäder hat sie und 2 Balkone. Eine riesige Küche gehört genauso dazu wie Wohn- und Schlafzimmer. Einfach genial. Hier könnte ich es länger aushalten.
Doch ich muss leider Koffer packen, denn morgen geht es zurück nach Deutschland. Doch irgendwann zieht es mich lieber auf den Balkon. Mit Laptop und Diet Coke bewaffnet setze ich mich in einen Stuhl und genieße den lauen Sommerabend – mitten im Februar.
Meilen: 90
Wetter: bewölkt mit Schauern, 73–86 Grad
Hotel: Residence Inn Cococnut Grove