Tag 11 – Mittwoch, 17. Februar 2016
The World is not enough – Port Charlotte nach Naples
“Lighthouses are not just stone, brick, metal, and glass. There’s a human story at every lighthouse; that’s the story I want to tell.” – Elinor Dewire
Nebel – soweit das Auge reicht – empfängt mich, als ich aus der Tür meines Motels trete. Zu sehen ist so gut wie gar nicht und das, wo ich doch noch an die Küste will. Aber schon eine halbe Stunde später sieht alles ganz anderes aus. Der Nebel beginnt sich zu lichten und Sonne sowie blauer Himmel luken immer mehr hervor. Das verspricht ja doch noch schön zu werden.
Als ich die Mautstelle nach Gasparilla Island erreiche, ist der Himmel über mir schon fast blau. Nur über dem Meer wabern noch die Nebelschwaden. Also setze ich meine Fahrt einmal quer über die Insel fort, denn mein Ziel ist der Gasparilla Island State Park an der Spitze der Insel, genauer gesagt dieser niedliche Leuchtturm.
Der 1983 gegründete State Park liegt am südlichen Ende der Insel. Der Sage nach wurde er nach dem Seeräuber Jose Gaspar benannt, der die Gegend um 1700 als Zuflucht und Versteck nutzte.
Schon beim Betreten des Strandes fallen mir die vielen Muscheln auf und als ich ein wenig weiterlaufe, knirscht es nur noch unter meinen Schuhsohlen. Der Strand ist hier komplett mit Muschelschalen bedeckt. Das sieht grandios aus. Und nicht nur das, viele der Muscheln sind wirklich super schön. Kein Wunder, dass da jede Menge Muschelsammler unterwegs sind.
Es macht richtig Spaß, hier umherzulaufen. Die Sonne scheint, es ist angenehm warm und das Meer rauscht. Immer wieder laufen mir kleine Vögel über den Weg. Und schließlich werde ich auch fündig und nehme zwei kleine Muscheln als Erinnerung mit.
Dann gehe ich zurück zum Leuchtturm. Der wurde 1890 erbaut und ist das älteste Gebäude auf der Insel, sogar eines der ältesten in Lee County. Seit 1983 ist der Leuchtturm ein Museum.
Der Eintritt in das kleine Museum ist kostenlos. Es wird jedoch um eine Spende gebeten. Drinnen erfahre ich mehr über die Geschichte der Insel und den historischen Schiffsanleger, den es hier einst gab, bevor der Causeway gebaut wurde.
Der State Park verläuft nicht nur an der Südspitze der Insel, auch einige Strände am Golf von Mexiko gehören dazu. Hier steht ein zweiter Leuchtturm aus dem Jahr 1927.
Plötzlich höre ich ein Knattern in der Luft. Und als ich nach oben schaue, sehe ich diesen Flieger, wie er waghalsige Kunststücke vollbringt. Es sieht fast danach aus, als ob er für eine Airshow übt. Ich schaue eine ganze Weile zu, denn der Pilot ist wirklich gut.
Leider muss ich mich gegen Mittag trennen und fahre zurück aufs Festland. Diesmal muss ich nicht an der Mautstelle halten, denn die $6 werden nur bei Fahrt auf die Insel fällig.
Weiter geht die Fahrt bis nach Estero, wo ich die Koreshan State Historic Site besuchen will. Der Park schützt die Überreste einer religiösen Kolonie, die von den letzten Mitgliedern 1961 dem Staat Florida geschenkt wurde. Und um diesen etwas seltsam anmutenden Globus drehte sich die Religion. Die Anhänger glaubten, dass das Universum in einem leeren Raum existiert und die Erde außen herum existiert.
Doch beginnen wird von vorn. Es war das Jahr 1894, als Dr. Cyrus R. Teed mit 200 Anhängern von Chicago nach Florida übersiedelte. Hier wollten sie ein neues Jerusalem errichten für ihren neuen Glauben „Koreshanity”. Das Wort leitet sich von Koresh, der hebräischen Übersetzung für Cyrus, ab, was so viel wie Hirte heißt.
Das erste Gebäude, das ich erreiche ist die sogenannte „Art Hall”. 1905 wurde sie als kulturelles Zentrum der Siedlung errichtet. Auch heute noch wird sie für Konzerte genutzt. An den Seiten der Halle, befindet sich eine Ausstellung zu Musikinstrumenten, die die Siedler spielten. Und hier stoße ich auch zum ersten Mal auf diesen seltsamen Globus, der das Erdbild der Gemeinschaft wiederspiegelt, sowie einen Plan, wie das neue Jerusalem einmal aussehen sollte.
Ich setzte meinen Weg über das Gelände fort. Man hat fast das Gefühl, wieder ins alte Florida zurückversetzt zu sein, wenn da nicht das Geräusch der nahen Straße ab und zu herüberwehen würde.
Gleich an der Straße steht der ehemalige Store der Kolonie. Hier verkauften die Siedler ihre Produkte, die sie von Hand herstellten. Leider ist es das einzige Gebäude, das nicht besichtigt werden kann. Schade, denn das hätte bestimmt Potential.
Ich komme zum 1882 erbauten Damkohler Cottage. Die Familie Damkohler war der ursprüngliche Besitzer des Grundstücks, auf dem die Koreshan Kolonie entstand. Gustav Damkohler wurde am 13. Dezember 1825 in Blankenburg, Deutschland geboren. 1846 wanderte er nach Australien aus, um dort nach Gold zu suchen. Das war jedoch nicht sehr erfolgreich, sodass er zunächst nach Deutschland zurückkehrte. Später entschied er sich, in die USA auszuwandern und siedelte zuerst in Missouri. Warum die Familie schließlich nach Florida zog, ist nicht bekannt, doch sie siedelten sich hier an. Gustav traf eines Tages auf Dr. Teed und verkaufte ihm nach einiger Zeit fast sein gesamtes Land, eine Entscheidung, die er später bereute, denn bereits um 1900 waren er und Dr. Teed zerstritten und Damkohler sowie sein Sohn Edwin zogen 1902 nach Alaska weiter.
Der State Park grenzt an einer Seite an den Estero River. Hier gab es einst eine Anlegestelle für Boote, die die Kolonie erreichen wollten. Heute sind nur noch Paddler auf dem Gewässer unterwegs. Ruhig und idyllisch liegt der kleine Fluß da.
Ich komme zum Grab von Hedwig Michel. Es ist die einzige Grabstelle im Park. Hedwig Michel schloss sich den Koreshans erst 1940 an, als die Religion schon im Niedergang war. Sie hörte in Deutschland davon und floh vor den Nazis nach Florida. Die Transformation der Kommune in einen State Park machte sie genauso mit, wie das Verschwinden ihrer Religion. Sie lebte noch bis zu ihrem Tod im Jahr 1982 auf dem Gelände.
Da die Koreshans im Grunde unabhängig von ihrer Außenwelt waren, produzierten sie alles, was sie zum Leben brauchten, selbst. Einige dieser Gebäude sind nicht mehr erhalten, andere jedoch können besichtigt werden. So auch die Bäckerei, die um die 300 Brote am Tag produzierte. Damit wurden nicht nur die Mitglieder ernährt, das Brot wurde auch an die umliegenden Siedler verkauft.
Ein anderes Wohnhaus, das noch erhalten ist, ist das Vesta Newcomb Cottage. Vesta kam 1892 als 16-jährige mit ihrer Mutter und ihrem Bruder nach Estero. Bis 1974 lebte sie hier. Viel ist über das Leben in der Kommune durch Vesta Newcomb bekannt. So wurde sie einst gefragt, ob sie wirklich an das Weltbild der Koreshans glaubte. Ihre Antwort: „Ich glaubte daran bis zum dem Tag, an dem die Jungs auf dem Mond landeten. Dann erkannte ich, dass das nicht stimmen konnte.”.
Gleich neben dem Haus von Vesta Newcomb steht das Cottage eines weiteren Deutschen, Conrad Schlender. Am 11. April 1876 wurde er in Deutschland geboren, doch bereits 1878 wanderte seine Familie in die USA aus. Er schloß sich den Koreshans 1907 an und lebte hier bis an sein Lebensende im Jahr 1965.
Besonders gut erhalten sind die Werkstätten sowie die Dampfmaschine der Kommune. Hier wurde nicht nur für die Koreshans produziert, ab 1916 gab es sogar Strom und der versorgte bis 1946 die gesamte Region.
In der Mitte der Anlage steht das Founders House. Es ist das älteste Gebäude der Ansiedlung und war das Wohnhaus von Dr. Cyrus Teed. Der verstarb übrigens bereits 1908 und nach seinem Tod begann der Niedergang der Koreshans. Immer mehr Siedler wandten sich von der Religion ab.
Das wohl imposanteste Haus aber ist der Planetary Court. Hier lebte Hedwig Michel bis zu ihrem Tod, doch eigentlich war das Haus von 7 Frauen bewohnt. Sie waren die Regierung der Kommune, die alle Aspekte des täglichen Lebens beaufsichtigten. Jede von ihnen hatte ein eigenes Zimmer, ein Luxus, den die anderen Mitglieder nicht genossen.
Nach diesem, für mich sehr interessanten Besuch, auf dem ich auch wieder ein Stück deutscher Einwanderergeschichte entdeckt habe, fahre ich weiter nach Sanibel Island. Die Brückenmaut kostet einmal mehr $6, dann darf ich auf die Insel fahren. Ich hoffe doch wenigstens hier ein paar Tiere zu entdecken. Doch statt der Gopher Tortoise auf dem Schild, quert erstmal nur dieser Reiher die Straße.
Das historische Sanibel Island Museum zu besuchen klappt dann auch nicht mehr, denn die machen in einer guten halben Stunde zu und wollen mir partout kein Ticket mehr verkaufen, weil sie meinen, die Zeit würde nicht reichen, um das Museum zu sehen. Nun gut, wenn sie mein Geld nicht wollen, fahre ich halt weiter zum J.N. „Ding” Darling National Wildlife Refuge. Hier muss ich keinen Eintritt zahlen, denn man nimmt meinen National Park Pass. Und die Fahrt scheint sich zumindest etwas zu lohnen, denn einige Tiere laufen mir hier über den Weg.
Und dann sehe ich sie plötzlich, die Vögel, für die sich die Fahrt auf jeden Fall gelohnt hat, die weißen Pelikane. Schon einmal habe ich sie 2013 in den Everglades gesehen, doch damals nur ganz in der Ferne. Hier aber sitzen sie relativ nah am Ufer und das in einer riesigen Gruppe.
Die weißen Pelikane sind Zugvögel und überwintern hier in Florida nur. Im Sommer ziehen sie zu den großen Seen in Kanada bis hin zum Großen Sklavensee in den Nordwest Territorien. Sie gehören zu den größten Vögeln des nordamerikanischen Kontinents und habe nach dem kalifornischen Kondor die zweitgrößte Flügelspannweite. So können sie sich sehr gut im Segelflug vorbewegen und die großen Distanzen überwinden.
Es ist toll diese Tiere so nah beobachten zu können und ich stehe, zusammen mit einigen anderen Besuchern, eine ganze Weile am Ufer Da gibt es Experten mit riesiger Kameraausrüstung, die sicher bessere Bilder hinbekommen, doch ein paar schöne Aufnahmen gelingen mir auch mit meinem Teleobjektiv.
Als ich wieder Richtung Süden fahren will, stehe ich erstmal im Stau. Irgendwie habe ich gerade ein Déjà vu und befürchte schon, dass das hier ähnlich endet wie auf St. Simons Island. Wo kommen nur plötzlich die ganzen Autos her. Doch dann folge ich einer Eingebung. Einige andere Autos biegen in eine Nebenstraße ein und ich folge spontan. Das Navi meckert zwar, doch ich sehe, dass das ein Schleichweg sein könnte. Und so ist es auch, ich komme relativ zügig voran, auch wenn ich immer wieder mal an einem Stopschild halten muss. So erreiche ich doch noch das andere Ende der Insel und das dortige Sanibel Lighthouse. Der Turm wurde bereits 1884 erbaut und war einer der ersten Leuchttürme in Florida. Leider kann man den 30 Meter hohen Turm nur von unten besichtigen. Eine Besteigung ist nicht möglich.
Gleich hinter dem Leuchtturm liegt einer der schönen Strände der Insel. Auf der anderen Seite des Wassers kann ich die Hochhäuser auf dem Festland sehen, doch von hier scheint es fast so, als wenn sie im Wasser stehen. Und dann sind auch die Delphine wieder da, für die die Gegend hier ebenfalls bekannt ist. Ganz nah am Strand schwimmen sie in kleinen Gruppen vorbei.
Auch andere Bewohner sehe ich im Strand.
So langsam senkt sich die Sonne dem Horizont entgegen und ich wandere noch ein Stückchen den Strand entlang. Viele Menschen sind nicht mehr unterwegs, die meisten Tagesbesucher wohl schon abgereist. Langsam wird es auch frisch, doch so ganz kann ich mich noch nicht trennen.
Schließlich schlage ich aber doch den Weg zur Brücke ein. Und mache gleich einen U‑Turn, denn das Licht am Causeway ist so wunderschön, dass ich nicht wiederstehen kann und noch einmal anhalte.
Im Dunkeln erreiche ich schließlich Naples, wo ich im Red Roof Inn und Suites einchecke. Zum Glück habe ich eine Reservierung, denn die Leute hinter mir, die spontan nach einem Zimmer fragen, werden abgewiesen. Fast ganz Naples ist ausgebucht. Das Red Roof Inn ist auch nicht gerade ein Schnäppchen gewesen, doch um den günstigen Flug zu bekommen, musste ich eine Landleistung buchen und so gleicht es sich wieder aus. Das Hotel selbst ist nett, besonders wenn man ein Premium Zimmer bekommt, so wie ich mit meinem deutschen Hotelvoucher.
Die Premium Rooms haben, im Gegensatz zu den Standard Rooms, eine höherwertige Ausstattung, zu der auch Fön, Kühlschrank und Mikrowelle gehören.
Und diese Box, die im Kühlschrank steht. Auch sie bekommt man nur in einem Premium Room.
Zum Abendessen fahre ich heute in die Cheesecake Factory. Dort ist zwar recht voll, doch ich bekomme sofort einen Platz an der Bar. Nehme ich halt den, Essen wird da ja auch serviert.
Meilen: 224
Wetter: sonnig nach Frühnebel, 57–80 Grad
Hotel: Red Roof Inn Plus