Tag 8 – 16. September 2014
These boots are made for walking - New York nach Washington
„Die Kunst muss nichts. Die Kunst darf alles.” – Ernst Fischer
Ich muss wieder zurück nach Washington, unter diesem Motto könnte man den heutigen Tag zusammenfassen, wenn es da nicht noch eine Rechnung zu begleichen gäbe. Schon im Frühjahr wollte ich hier in Trenton eine Retrospektive des Künstlers Seward Johnson besuchen, doch der Eröffnungstermin wurde nach hinten verschoben und mein Rückflug war leider fest.
Doch als ich heute Morgen aus dem Fenster schaue, regnet es nicht nur, es schüttet direkt wie aus Kannen. Na super, die Ausstellung ist doch draußen. Das darf ja wohl nicht wahr sein. Etwas schlecht gelaunt mache ich mich auf den Weg. Doch Petrus hat Erbarmen mit mir und kurz hinter Princeton hört der Regen auf. Als ich schließlich Trenton erreiche, ist es zumindest trocken.
Die Ausstellung von Johnsons Werken findet auf dem Ausstellungsgelände Grounds for Sculpture statt und schon an der Einfahrt werde ich freudig begrüßt.
Seward Johnson II. entstammt einer der wohl bekanntesten amerikanischen Industriellendynastie, Johnson&Johnson. Doch mit der Firma hatte er nicht viel zu tun, nachdem ihn sein Onkel 1962 gefeuert hatte. Die Familie ist sehr zerstritten und die Kinder mussten sogar für einen Anteil ihres Erbes vor Gericht ziehen. Er ist übrigens auch ein Cousin ersten Grades von Michael Douglas, denn Douglas’ Mutter, die Schauspielerin Diana Dill, und Johnsons Mutter, Ruth Dill, waren Schwestern.
Seward Johnson ist seit mehr als 50 Jahren künstlerisch tätig und das erste Mal in Berührung mit seinen Arbeiten bin ich in San Diego gekommen, wo für viele Jahre seine Statue „The Unconditional Surrender” stand. Später habe ich auch Open Air Ausstellung von ihm in verschiedenen amerikanischen Städten besucht, unter anderem in Key West, seinem Winterwohnsitz. Als letztes besuchte ich letzten Herbst die „Forever Marilyn” Statue in Palm Springs.
Hier in New Jersey auf dem Ausstellungsgelände „Grounds for Sculpture”, dass Johnson gründete um junge Künstler zu fördern, ist nun zum ersten Mal eine Retrospektive seiner Arbeiten zu sehen. Schon im Foyer begegnen mir zwei Werke, in denen er seine Erinnerung an 9/11 verarbeitet.
In einem weiteren Raum sind bemalte Tabletts ausgestellt, ein Arbeitsfeld von Johnson, das ich bisher nicht kannte.
Das Grounds for Sculpture Gelände ist übrigens auch an sich sehenswert. Einst beherbergte es die State Fairgrounds von New Jersey. Das Domestic Arts Building wurde in den 1920er Jahren erbaut und beherbergte ursprünglich Ausstellung zu Handwerk und anderen Handwerksarbeiten, sowie Haushaltsgütern. Seit 1745 gab es hier übrigens schon Ausstellungen, als König George II. die Erlaubnis dazu gab. Die letzte Ausstellung fand 1980 statt, bevor das Gelände verkauft wurde. Seit 1992 ist auf dem Gelände nur Grounds for Sculpture beheimatet.
In den Hallen sind zur Retrospektive einige der Ausstellungsstücke zu sehen, die nicht wetterfest sind, sowie Studien zu Erschaffung vieler seiner Skulpturen.
Auch wenn Johnsons Kunst sicher nicht jeden Geschmack trifft, mir gefällt sie und ich sehe sie mir gerne an. Damit bin ich anscheinend auch nicht allein, denn im ersten Monat zählte die Ausstellung bereits 30.000 Besucher, bis dato sind mehr als 145.000 Menschen gekommen. Der Erfolg der Ausstellung ist so überwältigend, dass die Ausstellung, die eigentlich schon Ende September 2014 enden sollte, bis Juli 2015 verlängert wurde.
Und dann finde ich schließlich zwei alte Bekannte. The Unconditional Surrender stand viele Jahre im Tuna Park in San Diego, bevor es durch eine Kopie ersetzt wurde. Marilyn Monroe hingegen hatte ich erst letztes Jahr in Palm Springs gesehen.
Auch ein kleiner Blick in die Werkstatt von Johnson ist möglich, wo noch viele Werke auf ihre Fertigstellung warten.
Nach über drei Stunden verlasse ich das Ausstellungsgelände, auf dem es übrigens auch noch Skulpturen anderer Künstler gibt. Ich hätte noch länger hier verweilen können, doch ich habe noch ein ganzes Stückchen Fahrt vor und so entschließe ich mich aufzubrechen. Der Weg führt mich wieder über die I‑95 und über die Delaware Memorial Bridge.
Dann weiter nach Maryland, bis ich wieder Baltimore erreiche. Diesmal nehme ich den Harbor Tunnel, um in die Stadt zu kommen.
Dieser kurze Abstecher muss sein, denn ich habe am letzten Wochenende ein T‑Shirt gekauft, das leider einen Defekt hat. Also will ich es noch schnell umtauschen. Das funktioniert auch absolut problemlos und da ich noch etwas Zeit auf der Parkuhr habe, wandere ich noch ein wenig rund um den Inner Harbor.
Wie anders es doch heute hier aussieht. Nichts zeugt mehr von dem riesigen Festival, das vor zwei Tagen hier seinen Höhepunkt fand. Na ja, fast nichts.
Ansonsten liegt der Inner Harbor ganz friedlich da, fast schon ein bisschen verschlafen an diesem Dienstagnachmittag.
Eine gute halbe Stunde schlendere ich noch herum, bevor ich zum Auto zurücklaufe. An der Ampel entdecke ich dann dies:
Die letzte Nacht hier an der Ostküste verbringe ich im Hampton Inn in Camp Springs. Das liegt verkehrsgünstig am I‑495, sodass ich morgen nochmal kurz nach Washington fahren kann.
Meilen: 236
Wetter: heiter; 18–26 Grad
Hotel: Hampton Inn & Suites Camp Springs, $108.89