Tag 14: Donnerstag, 17. April 2014
By Land and Sea – von Ocean City nach Norfolk
„Es ist schon lange einer meiner Grundsätze, dass die kleinsten Dinge bei weitem die wichtigsten sind.” – Sir Arthur Conan Doyle
Es ist bedeckt, als ich Ocean City heute Morgen verlasse. Na toll, soll das Intermezzo von Sonnenschein gestern etwa alles gewesen sein? Und wirklich wärmer ist es dazu auch nicht mal. Etwas geknickt fahre ich zurück aufs Festland. Einen kurzen Schlenker durch mein Lieblings-Berlin in den Staaten kann ich mir zwar nicht verkneifen, doch anhalten tue ich nicht. Bei 5 Grad und dunklen Wolken macht das nun wirklich keinen Spaß. Da habe ich schönere Bilder von meinen letzten Besuchen.
Trostlos ist die Fahrt auf der US 13 nach Süden bei diesem Wetter und auch den geplanten Besuch nach Chincoteague Island streiche ich schnell. Den Teil in Virginia kenne ich schon und das nördliche Ende in Maryland wird verschoben. Als ich jedoch die Staatsgrenze zu Virginia erreiche, passiert etwas Unglaubliches. Plötzlich reißt der Himmel auf und die Sonne kommt heraus. Binnen Minuten ist der Himmel strahlend blau, mit kleinen weißen Wölkchen versetzt. Es ist fast, als ob die Wolkendecke an der Staatsgrenze Halt gemacht hat.
Kurze Zeit später verlasse ich zum ersten Mal den US 13, der sowas wie die Lebensader dieses östlichen Zipfels von Virginia ist. Ich erreiche das Städtchen Ouanock. Hier möchte ich den Ker Place besichtigen. Leider bleibt es aber bei dieser einen Aufnahme, denn das Herrenhaus macht erst um 11 Uhr auf. Und zwei Stunden warten, das möchte ich wiederum nicht.
Also weiter nach Süden zum nächsten Stopp, den ich in Eastville geplant habe. Während der Vorbereitung dieser Tour bin ich auf den kleinen Ort gestoßen, in dem eines der am besten erhaltenen städtischen Gebäudeensemble aus kolonialer Zeit erhalten sein soll. Dazu gehören ein Gerichtsgebäude sowie ein Gefängnis.
Zwischen 1700 und 1770 wurden die einzelnen Gebäude errichtet. Am interessantesten ist aber wohl die Ausstellung der Court Records, den ältesten durchgängig geführten Aufzeichnungen dieser Art in den USA. Der erste Eintrag datiert von 1632.
Hinter dem Gerichtsgebäude befindet sich das Debtor’s Prison. Im Jahr 1814 erbaut, ist es seitdem praktisch unverändert geblieben.
Und weiter geht die Fahrt nach Süden. Hier verläuft die US 13 durch flaches Land, das ab und zu nur durch ein paar Bäume oder Häuser unterbrochen wird. Immer schmaler wird die Halbinsel Richtung Süden und bald zweigen nur noch kurze Stichstraßen vom Highway ab. An einer liegt Eyre Hall und Gardens, wo ich aber nur für ein kurzes Foto halte.
Der südlichste Ort in Ostvirginia ist Cape Charles, das vor dem Bau des Chesapeake Bay Bridge Tunnel der Ort war, an dem die Fähren nach Norfolk anlegten und abfuhren. Seitdem es den Fährverkehr nicht mehr gibt, ist der Ort ein kleines verschlafenes Nest, in dem es aber ein paar interessante Häuser zu sehen gibt. Mich interessiert aber nur eines, nämlich dieses kleine unscheinbare Wohnhaus. Auf den ersten Blick scheint es nichts Besonderes zu sein, doch dieses Haus ist ein seltener Überlebender eines ganz speziellen Haustyps – dem Sears Catalog Home.
Sears ist ja durch den Versandhandel groß geworden, den es neben seinen Kaufhäusern betreibt. In jeden Winkel der USA versendete man alle nur denkbaren Artikel, so auch Fertighäuser. Zwischen 1908 und 1940 wurden 70.000 dieser Häuser in die ganzen USA verschickt. Es gab sie in 370 Varianten und sie bestanden aus 10.000 bis 30.000 Einzelteilen, die zusammen mit einer 75-seitigen Anleitung ankamen. Eine dieser Varianten ist eben diese, die hier in Cape Charles praktisch unverändert erhalten geblieben ist.
Nur noch wenige Meilen trennen mich jetzt von der Südspitze der DelMarVa (Delaware-Maryland-Virginia) Peninsula, dem Startpunkt des 37 Kilometer langen Chesapeake Bay Bridge Tunnel, einem der größten Brücken-Tunnel-Bauten der Welt. Dreizehn Dollar werden inzwischen für eine Überfahrt fällig, doch die lohnen sich allemal.
Am 15. April 1964, also genau 50 Jahre und zwei Tage vor meiner heutigen Überfahrt, wurde dieses Wunder der Ingenieurskunst eröffnet. Im Jahr 1965 wurde das Bauwerk mit dem „Outstanding Engineering Achievement” ausgezeichnet und zu einem der sieben Ingenieurswunder der modernen Welt erklärt.
Die Konstruktion besteht aus drei Brückenteilen, zwei davon sind 14,5 Kilometer lang, eines 5 Kilometer, sowie zwei jeweils 1,7 Kilometer langen Tunneln. Der Übergang von Brücke-Tunnel wird durch vier aufgeschüttete, künstliche Inseln von je 20.000 m² bewerkstelligt. Zum Bau der Inseln wurden ca. 1.000.000 Tonnen Gestein verwendet. Die Baukosten betrugen ca. 200.000.000 Dollar für den ersten Bauabschnitt und ca. 250.000.000 Dollar für den zweiten Bauabschnitt. Der zweite Bauabschnitt fand 1995 bis 1999 statt, als man zwei weitere Fahrbahnen zu den Brücken hinzufügte. Seitdem sind nur noch die Tunnel zweispurig.
Die Tunnel waren übrigens notwendig, damit die Zufahrt zu den Häfen an der Chesapeake Bay weiterhin gewährleistet ist. Sie sind so tief, dass selbst Flugzeugträger und Kreuzfahrtschiffe sie problemlos passieren können.
Am südlichen Ende des Tunnels liegt die Hampton Roads Area, ein Gebiet, das aus fünf Städten besteht – Norfolk, Virginia Beach, Chesapeake, Hampton, Portsmouth und Suffolk. Mein Ziel für heute ist Norfolk, wo ich zwar schon mehrmals war, aber noch längst nicht alles gesehen habe. So auch das Hunter House Victorian Museum. Schon zweimal habe ich bereits Anlauf genommen und heute soll es nun endlich klappen.
Die Tour durch das 1894 erbaute Stadthaus ist wunderschön. Es ist fast wie eine Zeitreise, denn das Haus wurde nach dem Tod der letzten Besitzerin nicht mehr verändert. Leider darf ich hier mal wieder nicht fotografieren, was mich in diesem Fall schon etwas traurig stimmt.
Nach der Tour schlendere ich noch ein wenig durch den hübschen historischen Distrikt von Norfolk.
Gleich um die Ecke liegt ein weiteres Museum, dem ich bei meinem letzten Besuch hier noch nicht so viel Aufmerksam schenkte. Erst durch meinen Besuch in Pearl Harbor und auf der Missouri habe ich mich ausgiebiger mit General Douglas MacArthur beschäftigt.
Er war zusammen mit Chester W. Nimitz, dessen Museum übrigens in Fredericksburg, Texas steht, Oberbefehlshaber der Streitkräfte im Pazifik während des Zweiten Weltkrieges und nahm am 2. September 1945 die Kapitulation Japans auf der USS Missouri entgegen.
Er und seine Frau sind auch hier in Norfolk begraben.
Im Museum geht es aber nicht nur um seine militärische Karriere, auch das Privatleben wird beleuchtet. Hängen geblieben ist bei mir besonders diese Aussage:
Und Jean MacArthur muss eine wahrlich bemerkenswerte Frau gewesen sein. Sie war bereits 37 Jahre und Douglas MacArthur 18 Jahre älter, als sich die beiden kennenlernten. Zusammen haben sie einen Sohn. Nach dem Tod ihres Mannes, 1964, lebte Jean in New York, wo sie im Jahr 2000 im Alter von 102 Jahren verstarb.
Nur unweit vom Museum liegt auch die schöne Norfolk Waterfront, die erst vor einigen Jahren neu gestaltet wurde. Hauptanziehungspunkt sind hier die Hafenrundfahrten und die Nautilus, ein Museum, zu dem auch die USS Wisconsin gehört. Da ich beides auch schon besucht habe, gehe ich diesmal nur daran vorbei. Die Meerjungfrauenstatuen gibts übrigens überall in Norfolk. Sie sind ein Kunstprojekt, wie es ja inzwischen an vielen Orten zu finden ist.
Ganz an der Spitze des Waterfront Parks gibt es seit kurzem ein neues Memorial, das ich noch nicht gesehen habe. Es ist eine Erinnerung an alle großen Kriege der USA und besteht nur aus Briefen, die Soldaten nach Hause geschrieben haben. Die ersten sind aus dem Unabhängigkeitskrieg 1777, die letzten aus dem Golfkrieg 1991.
Eines haben alle Briefe gemeinsam, ihre Verfasser sind nicht wieder nach Hause zurückgekehrt.
Es war wirklich bewegend diese persönlichen Briefe zu lesen und ich kriege selbst jetzt wieder eine Gänsehaut, wenn ich sie mir ansehe. Irgendwie hat mich dieses Memorial in seiner Schlichtheit sehr berührt und auch nachdenklich gemacht.
Nachdem ich zurück am Auto bin, drehe ich noch eine kurze Runde durch Virginia Beach, bevor ich zu meinem Hotel, dem Towne Place Suites fahre.
Die heutige Übernachtung ist für mich kostenlos, denn ich setzte Marriott Rewards Punkte ein. Seitdem ich die sammle, gönne ich mir das immer mal wieder. Und das Beste, das Programm kostet nichts und schont so die Urlaubskasse.
Meilen: 246
Wetter: bewölkt, mit Aufheiterungen, 4–11 Grad
Hotel: Towneplace Suites, kostenlos