Tag 11: 13. September 2006
Breathtaking Moments – Glacier Bay National Park
Das frühe Aufstehen fällt mir auch heute nicht schwer, denn die Island Princess steuert heute den Glacier Bay National Park an, einen Nationalpark, den man nur zu Wasser oder aus der Luft erreichen kann. Allerdings fahren nur einige Kreuzfahrtschiffe in den Park hinein, denn der National Park Service hat die Zufahrt auf ein Schiff pro Tag beschränkt.
Als ich an Deck komme, ziehen noch große Nebelschwaden durch die Bucht. Aber immer wieder zeigt sich auch die Landschaft dahinter in der Sonne.
Kurze Zeit später wird der Nebel jedoch so dicht, dass ich schon befürchte, dass mein Besuch in der Glacier Bay ins Wasser fallen würde. Zeitweise kann ich nicht mal das Ende des Schiffs erkennen.
Einige Minuten später habe ich wieder mehr Hoffnung, dass dieser Tag doch noch schön werden könnte. Der Nebel sinkt immer weiter auf die Wasseroberfläche ab und die ersten Bergspitzen sind zu erkennen.
Auf dem Pooldeck wird inzwischen wieder ein köstliches Buffet aufgebaut, damit wir während der Tour durch die Bucht auch ja nicht hungern müssen.
Vor fast 250 Jahren, als Kapitän George Vancouver die Region erforschte, war Glacier Bay eine Bucht aus Eis, ein einziger Gletscher, der dem Gebiet auch seinen Namen gegeben hat. Der Rückzug der Gletscher ist für Forscher hier besonders interessant, denn er markiert den Rückzug einer 4000 Jahre alten, kleineren Eiszeit. In den letzten beiden Jahrhunderten haben sich die Eismassen weit in die Bucht zurückgezogen und Land freigegeben. Strände, Bäume und Flüsse haben sich erst danach entwickelt. Flora und Fauna bringen immer mehr neue Errungenschaften hervor. Für Biologen und Wissenschaftler ist der Park eine Art Freiluftlabor.
Und tatsächlich habe ich Glück und kann diesen einmaligen Nationalpark heute doch noch erleben, denn am späten Vormittag hat sich der Nebel endlich komplett aufgelöst und die Glacier Bay erstreckt sich vor der Island Princess.
Auf dem Weg tiefer in die Bucht hinein sehe ich den Mount Fairweather. Der schneebedeckte Berg ist mit einer Höhe von 4671 Metern der höchste Punkt in British Columbia. Der südliche Hang des Mount Fairweather liegt allerdings im Glacier-Bay-Nationalpark und gehört zu Alaska.
Im Jahr 1879 besuchte der Forscher John Muir die Bucht und stellte fest, dass sich die Gletscher stark zurückentwickelt hatten. Die heute als Muir-Gletscher bekannte Eismasse hat sich in diesen 85 Jahren um 77 Kilometer verkürzt. Heute hat sich dieser Rückzug der Gletscher verlangsamt. Drei Gletscher ziehen sich weiter zurück, während acht länger werden.
Zu einem richtigen Nationalparkbesuch gehört natürlich auch ein Visitor Center. Das liegt eigentlich in Gustavius, einem 400-Seelendorf, das die einzige Siedlung im Park ist. Hier können aber nur kleine Ausflugsboote anlegen und so kommt das Visitor Center eben zu uns aufs Schiff. Am Morgen geht ein Rangerboot längsseits und eine Gruppe Ranger kommt an Bord. Sie erklären den ganzen Tag über nicht nur die Natur rund um uns herum, sondern halten auch Vorträge, stempeln meinen National Park Pass und verkaufen Andenken.
Das hier ist übrigens die Route, die die Island Princess heute in der Bucht zurücklegen will.
Ganz am Ende der Bucht erreicht die Island Princess am frühen Nachmittag schließlich den Grand Pacific Glacier. Der 40 Kilometer lange Gletscher erstreckt sich von den südwestlichen Hängen des Mount Hay in der Eliaskette zunächst ostwärts parallel zur amerikanisch-kanadischen Grenze, knickt etwa auf halbem Weg nach Süden ab und mündet in das Tarr Inlet im Glacier Bay Nationalpark.
Etwa einen Kilometer weiter südlich befindet sich der Margerie Glacier, der für mich eines der absoluten Highlights des Tages ist. Er ist 34 Kilometer lang und entspringt an der Südflanke des Mount Root an der Grenze zur kanadischen Provinz British Columbia. Benannt wurde der Gletscher 1923 von Lawrence Martin vom United States Geological Survey nach Emmanuel de Margerie, einem französischen Geologen, der 1913 die Glacier Bay besucht hatte.
Seitlich positioniert sich die Island Princess vor dem Gletscher, damit die Passagiere einen möglichst guten Blick haben. Die Eisfront erhebt sich rund 75 Meter über das Wasser des Fjords, etwa 30 Meter liegen unter Wasser. Es sieht gewaltig aus, wie sich diese Eismassen vor uns erheben. Selbst auf dem großen Kreuzfahrtschiff komme ich mir ganz klein vor.
Nach etwa einer Stunde Aufenthalt geht es wieder zurück in Richtung Einfahrt der Bucht. Doch dann die große Überraschung – wir machen noch einen weiteren Abstecher, und zwar zum Muir Glacier. Den sollten wir eigentlich gar nicht zu sehen bekommen, denn normalerweise fahren die Kreuzfahrtschiffe nur die Glacier Bay entlang zum Margerie und Grand Pacific Glacier. Das Muir Inlet aber ist zum Schutz der dort brütenden Tiere bis Ende August gesperrt. Im September wiederum ist fast immer das Wetter zu schlecht, um dort mit einem so großen Schiff hineinzufahren.
Doch wir haben Glück. An so einem schönen Tag können wir in das Muir Inlet fahre. Unser Kapitän verrät uns, dass auch er schon seit mehreren Jahren nicht mehr dort war. Allgemeiner Jubel bricht an Bord aus, denn das ist ein wahrhaft einmaliges Highlight der Reise.
Am Ende dieses ereignisreichen Tages verabschieden sich schließlich noch die Ranger vom Glacier Bay National Park von uns, bevor sie wieder von Bord gehen.
Als ich auch endlich zurück auf meine Kabine will, um mich für das Abendessen umzuziehen, werde ich aber von einer Lautsprecherdurchsage aufgehalten. Plötzlich heißt es: „Buckelwale gesichtet!” Jeder an Deck will sich das natürlich nicht entgehen lassen. Und kurze Zeit später erheben sich tatsächlich die ersten mächtigen Körper aus dem Wasser.
Dann verabschiedet sich die Glacier Bay auch noch mit einem wunderschönen Sonnenuntergang von mir.
Es war ein einmaliger und fantastischer Tag, den ich um nichts auf der Welt missen möchte und so falle ich erschöpft aber glücklich ins Bett, denn morgen will ich wieder fit sein, für den ersten Landgang im Alaska Panhandle.