Southern Rhapsody – Im Winter nach Florida und Texas

Tag 10: Don­ners­tag, 02. Febru­ar 2023
Roots of histo­ry – New Braun­fels – Teil 1

„Our hap­piest moments as tou­rists always seem to come when we stumb­le upon one thing while in pur­su­it of some­thing else.” ― Law­rence Block

Das Wet­ter ist immer noch recht trü­be, als ich am Mor­gen San Anto­nio ver­las­se. Aller­dings ist es wie­der etwas wär­mer und der Eis­re­gen hat auch nörd­lich der Stadt auf­ge­hört. So mache ich mich auf den Weg nach New Braun­fels, das ich bei mei­ner gro­ßen Texas Tour vor zwölf Jah­ren nur gestreift habe. Heu­te möch­te ich auch hier ein wenig auf den Spu­ren der deut­schen Sied­ler wan­deln. Dazu star­te ich auf dem Free­way, der auch in San Anto­nio durch beein­drucken­de Auto­bahn­kreu­ze führt.

New Braun­fels wur­de am 21. März 1845 im Auf­trag des „Ver­eins zum Schut­ze deut­scher Ein­wan­de­rer in Texas” und des­sen Ver­tre­ter in Texas, Carl Prinz zu Solms-​Braunfels, gegrün­det. Rund 8000 deut­sche Sied­ler kamen in den 1840er Jah­ren über den Ver­ein nach Texas und vie­le sie­del­ten sich in die­ser Gegend an. An die­se frü­hen Tage der Besied­lung erin­nert die „Histo­ric Old Town”, bei der ich mei­nen Besuch starte.

Auf der Gelän­de der heu­ti­gen Old Town wur­den acht­zehn histo­ri­sche Gebäu­de zusam­men­ge­tra­gen, die größ­ten­teils aus der Anfangs­zeit von New Braun­fels stam­men. Von außen anschau­en kann ich sie auf eige­ne Faust, für eine Füh­rung durch die Gebäu­de ist jedoch lei­der heu­te kein Per­so­nal da. Im Febru­ar kom­men nur weni­ge Besu­cher und wegen des schlech­ten Wet­ters noch dazu wur­de das Per­so­nal auf ein Mini­mum reduziert.

Ich lau­fe zwi­schen den Gebäu­den umher und schaue mir die ver­schie­de­nen Gebäu­de an, die alle noch aus dem 19. Jahr­hun­dert stam­men, als hier vor­wie­gend deut­sche Sied­ler leb­ten. Noch heu­te gibt es vie­le Deutsch­ame­ri­ka­ner in der Stadt, aber inzwi­schen haben sich auch vie­le His­pa­nics angesiedelt.

Schließ­lich habe ich aber doch noch etwas Glück, denn einer der Mit­ar­bei­ter nimmt mei­ner an und will mir zumin­dest den histo­ri­schen For­ke Store aus dem Jahr 1865 von innen zeigen.

Das Kolo­ni­al­wa­ren­ge­schäft ist noch ein­ge­rich­tet wie zur dama­li­gen Zeit und die Waren rei­chen über Haus­halts­ar­ti­kel und Back­wa­ren bis hin zu Werk­zeug oder Klei­dung. Alles ist fein säu­ber­lich ein­sor­tiert und in Deutsch beschrif­tet, so wie es damals üblich war.

Beson­ders inter­es­sant fin­de ich ein­mal mehr die deutsch­spra­chi­gen Bücher, Zeit­schrif­ten und son­sti­ge Schrift­stücke. Im Gegen­satz zu mei­nem Gui­de kann das ja alles lesen. Das fin­de er wie­der­um fas­zi­nie­rend und will wohl auch ein biss­chen prü­fen, ob das stimmt. Schließ­lich kom­men wir auch auf den Gegen­sei­ti­gen Unter­stüt­zungs­ver­ein zu spre­chen, eine Art Ver­si­che­rung, über die man ger­ne noch mehr wis­sen wür­de. Doch auch ich kann da lei­der nicht hel­fen, denn zuvor hat­te ich davon noch nichts gehört.

Der Dreh- und Angel­punkt der deut­schen Besied­lung in Texas ist aber der „Ver­eins zum Schut­ze deut­scher Ein­wan­de­rer in Texas” kiurz auch Main­zer Adels­ver­ein genannt, der 1942 in Deutsch­land von einer Grup­pe Adli­ger gegrün­det wur­de, die der Armut und Not in Deutsch­land begeg­nen und den Men­schen neue Hoff­nung geben woll­ten, in dem sie sie bei der Aus­wan­de­rung nach texas unter­stütz­ten. Man stell­te jeder aus­rei­se­wil­li­gen Fami­lie rund 130 Hekt­ar Land in Aus­sicht, dazu die Ver­sor­gung mit Lebens­mit­teln bis zur ersten eige­nen Ern­te sowie Kir­chen, Schu­len und ärzt­li­che Für­sor­ge. So ganz klapp­te da lei­der nicht, vor allem aus Geld­man­gel, jedoch kamen trotz­dem durch kein ande­res Aus­wan­de­rer­pro­jekt mehr Sied­ler auf ein­mal ins Land.

Nach die­ser inter­es­san­ten Unter­hal­tung, die mal wie­der län­ger gedau­ert hat als gedacht, set­ze ich mei­nen Rund­gang durch das Frei­luft­mu­se­um fort.

Es ist schon inter­es­sant, was man hier an histo­ri­schen Gebäu­den zusam­men­ge­tra­gen hat und so auch vor der Zer­stö­rung gerettet.

Zum Schluss schaue ich mich noch ein wenig in den alten Werk­stät­ten um, die im Som­mer wohl auch von Frei­wil­li­gen betrie­ben wer­den. Hier hat man sich auch an deut­scher Beschil­de­rung ver­sucht, aber so ganz hat das nicht geklappt. Da wur­de wohl ein­fach im Inter­net übersetzt.

Das erste Pro­jekt der New Braun­fels Con­ver­sa­ti­on Socie­ty war aber nicht die Histo­ric Old Town, son­dern das Haus von Fer­di­nand Lind­hei­mer, der heu­te als Vater der texa­ni­schen Bota­nik bekannt ist. Lind­hei­mer wur­de 1801 in Frank­furt am Main gebo­ren und sah sich im Zuge der Frank­fur­ter Stu­den­ten­un­ru­hen im Jahr 1833 gezwun­gen, aus­zu­wan­dern. Zunächst lan­de­te er in Illi­nois, zog spä­ter nach Mexi­ko wei­ter, bis er um 1840 Texas erreich­te. Nach ver­schie­de­nen wei­te­ren Sta­tio­nen erbat er sich schließ­lich ein Grund­stück bei New Braun­fels, auf dem er sich die­ses Haus errichtete.

Neben sei­ner Arbeit als Bota­ni­ker war er auch Jour­na­list und Ver­le­ger und führ­te über zwan­zig Jah­re lang das von ihm gegrün­de­te Wochen­blatt Neu-​Braunfelser Zei­tung, das bis zum Ersten Welt­krieg existierte.

Für mich geht es nun wei­ter zur Sophien­burg, einem Muse­um mit ange­schlos­se­ner Biblio­thek, das das deut­sche Kul­tur­er­be in Texas zeigt.

Acht Dol­lar kostet mich der Ein­tritt in das Muse­um, das von den deut­schen Sied­lern in Texas erzählt. Hier wur­den Doku­men­te und Zeit­zeug­nis­se zusam­men­ge­tra­gen, damit auch nach­fol­gen­de Gene­ra­tio­nen erfah­ren kön­nen, wie die ersten Deut­schen in den Lone Star Sta­te kamen.

Der Rund­gang beginnt, wie könn­te es auch anders sein, natür­lich mit einem Modell von Schloss Braun­fels in Hes­sen, das ich auch schon ein­mal vor eini­gen Jah­ren besucht habe. Seit dem 13. Jahr­hun­dert ist das Schloss der Sitz der Gra­fen von Solms und noch heu­te in Familienbesitz.

Und die­ser Fami­lie ent­stammt auch Prinz Carl von Solms-​Braunfels, des­sen Bild direkt über dem Modell hängt. Die Sophien­burg ist übri­gens nach sei­ner zwei­ten Frau, Prin­zes­sin Sophie, benannt.

Die Geschich­te beginnt natür­lich mit dem Main­zer Adels­ver­ein und den Aus­wan­de­rer­ver­trä­gen, die mit den Emi­gran­ten geschlos­sen wurden.

Damals ging es mit dem Schiff über den Atla­tik, für vie­le eine beschwer­li­che Rei­se, denn nur die wenig­sten konn­ten sich die Über­fahrt in der mon­dä­nen ersten Klas­se leisten.

Mit dabei hat­ten vie­le Aus­wan­de­rer nur das Nötig­ste, beson­ders Fami­li­en­er­b­stücke wur­den mit­ge­nom­men. Alles ande­re muss­te in der alten Hei­mat zurück­blei­ben. Einer der bekann­te­sten Aus­wan­de­rer war Ernst Grü­ne, der mit sei­ner Frau nach Texas kam, und nach dem inzwi­schen ein histo­ri­scher Stadt­teil von New Braun­fels benannt ist.

Im Muse­um zu sehen sind auch erste Foto­gra­fien der Stadt, die damals nur einen Brauch­teil der heu­ti­gen Grö­ße umfass­te. Über­haupt ist New Braun­fels erst in den letz­ten zwan­zig Jah­ren enorm gewach­sen. Die Bevöl­ke­rung hat sich in den letz­ten drei­ßig Jah­ren mehr als verdreifacht.

In wei­te­ren Räu­men sind Gewer­ke und ein­zel­ne Räu­me der Sied­ler­häu­ser zu sehen. In der Stadt gab es nicht nur eine Schu­le, son­dern auch Ärz­te, eine Apo­the­ke und natür­lich Geschäfte.

Mit der Zeit ent­wickel­te sich auch ein reges Ver­eins­le­ben und es fan­den vie­le Ver­an­stal­tun­gen statt. Sei­ner­zeit wur­de hier auch aus­schließ­lich Deutsch gesprochen.

Rund eine Stun­de ver­brin­ge ich in dem Muse­um, das wirk­lich sehr inter­es­sant ist. Hier habe ich viel Neu­es über die Besied­lung von Texas durch deut­sche Aus­wan­de­rer erfahren.

Zum Abschluss besu­che ich noch das Herz der Stadt, das histo­ri­sche Down­town. Hier kann man noch heu­te sehen, wie die Stadt einst geplant wur­de. Die Stra­ßen sind noch immer vor­han­den und auch eini­ge Gebäu­de sind erhal­ten geblie­ben. Dar­un­ter ist auch das 1898 erbau­te Comal Coun­ty Court­house, das einen älte­ren Bau aus dem Jahr 1860 ersetz­te und noch heu­te als Gerichts­ge­bäu­de genutzt wird.

Die Mit­te des Ortes bil­det ein ova­ler Kreis­ver­kehr, sehr unge­wöhn­lich für ame­ri­ka­ni­sche Städ­te. Auf der Mit­tel­in­sel steht der Freund­schafts­baum, der 1978 als Geste der Freund­schaft zwi­schen Braun­fels an der Lahn und New Braun­fels gepflanzt wurde.

Ich fah­re noch ein wenig wei­ter durch die Stadt und ent­decke dabei noch eini­ge Wand­bil­der, die das Wurst­fest zei­gen, das so etwas wie das ame­ri­ka­ni­sche Okto­ber­fest ist.

Nach die­ser aus­führ­li­chen Besich­ti­gung habe ich mir nun ein spä­tes Mit­tag­essen bei Pan­da Express verdient.


Anschlie­ßend geht es zurück nach San Anto­nio, doch davon erzäh­le ich im zwei­ten Teil die­ses Tagesberichts.

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