Marstrand und die Festung Carlsten, Schweden
Die kleine Schäreninsel Marstrand mit der mächtigen Festung Carlsten zieht die Menschen schon seit Jahrhunderten in ihren Bann. Nördlich von Göteborg, an Schwedens Westküste gelegen, ist sie ein beliebtes Ausflugsziel und war in vergangenen Jahrhunderten auch ein wichtiger Verteidigungsstützpunkt des eisfreien Hafens.
Ein Ausflug nach Marstrand ist auch heute noch ein wenig wie eine Reise in eine andere Welt. Die kleine Insel mit ihren nicht mal vierhundert Einwohnern ist eine Oase der Ruhe in einer schnelllebigen Zeit.
Rund eine dreiviertel Stunde brauchen wir von Göteborg, um Marstrand zu erreichen. Auf die Insel geht es mit dem Mietwagen allerdings nicht, denn der historische Kern der Stadt auf der kleinen Schäreninsel ist autofrei. So müssen Fahrzeuge auf einem kostenpflichtigen Parkplatz abgestellt werden. Wichtig zu wissen, die Parkgebühr kann hier nur mittels einer App bezahlt werden, was in Zeiten von EU-Roaming aber machbar ist. Dann geht es zu Fuß weiter zur Fähre, die die Insel mit dem Rest von Schweden verbindet.
Marstrands historisches Zentrum
Vom Fähranleger gelangen wir direkt in das historische Zentrum der Insel, wo die meisten der Einwohner leben und arbeiten. Auf die Insel kommen jedes Jahr rund 700.000 Touristen, was auf das Jahr gerechnet bedeutet, dass täglich rund viermal so viele Menschen kommen, wie hier leben. Doch während andere Städte wie Venedig oder Dubrovnik über die vielen Besucher klagen, werden sie hier mit offenen Armen empfangen. Ohne sie würde es Marstrand in dieser Form wohl auch nicht mehr geben.
Wir starten unseren Besuch auf der Insel mit einem kleinen Rundgang durch den Hauptort mit seinen malerischen Holzhäusern und kleinen Gassen. Schon seit mindestens 1291 ist die Insel bewohnt, zumindest wurde sie in jenem Jahr erstmalig urkundlich erwähnt. Ursprünglich gehörte Marstrand zu Norwegen und bekam vom norwegischen König bereits 1442 das Stadtrecht verliehen, erst 1658 wurde die Insel schwedisch. Früher lebten die Menschen vom Fischfang und Handel, eine Blütezeit erlebte Marstrand ab 1775, als die Insel für zwanzig Jahre ein Freihafen war. Im 19. Jahrhundert begann schließlich die Wandlung zum Badeort und aus jener Zeit stammen auch viele der bunten Holzhäuser.
Im Herzen des Ortes liegt der Paradisparken, ein kleiner Stadtpark, der sich zu Füßen des Grand Hotels erstreckt und einen wunderschönen Blick auf das Wasser und die gegenüberliegende Insel bietet.
Das Grand Hotel selbst wurde 1892 eröffnet und man sagt, dass der Bau aufgrund der häufigen Aufenthalte von König Oscar II. auf der Insel errichtet wurde. Von 1887 bis 1907 kam der König jedes Jahr, da der Aufenthalt seiner Gesundheit guttat. Das Hotel wiederum wurde vor allem für die ihn begleitenden Adligen genutzt. Noch heute kann hier übernachten, wer länger als nur einen Tag auf Marstrand bleiben will.
Wir folgen zunächst weiter der Straße am Wasser, die uns weiterhin an vielen bunten Holzhäusern vorbeiführt. Während rund um den Fähranleger noch Geschäfte dominierten, wechselt das Bild nun zu Wohnhäusern, deren Bewohner einen tollen Ausblick auf das Wasser haben.
Beliebt ist Marstrand bei den Schweden auch als Hochzeitsort und so wurden einige der schmucken Villen inzwischen in Veranstaltungsorte umgewandelt, um diesem Bedarf gerecht zu werden. Die repräsentative Villa Bajdara am Badhausplatz ist solch ein Ort, erbaut wurde sie allerdings bereits 1896 für Doktor Helleday, den Leibarzt des schwedischen Königs Oscar II.
Der Badhausplatz selbst war lange Zeit der wichtigste Platz in Marstrand, nachdem hier 1843 das erste Badehaus eröffnet wurde. Von diesen ersten Bauten ist kaum noch etwas erhalten, denn nachdem der Badeurlaub immer populärer wurde, ersetzte man die zunächst kleineren Gebäude durch repräsentative Badehäuser. Einen wahren Aufschwung erfuhr die Insel durch die Besuche von König Oscar II. Während der König selbst lieber auf seiner Jacht lebte, die im Hafen ankerte, strömten immer mehr Besucher auf die Insel. Man wollte auch diesen Ort erleben, zu dem der König fast jedes Jahr zurückkehrte.
Eines der Badehotels, das Marstrand Kurhotel, empfängt heute noch Gäste, sodass man immer noch Badeurlaub auf Marstrand genießen kann.
Vom Hotel haben die Gäste übrigens auch hier einen wunderschönen Ausblick auf einen kleinen Naturhafen und die Inselwelt rund um Marstrand. Diese Aussicht wurde übrigens 1980 sogar weltberühmt, denn die schwedische Popgruppe ABBA drehte hier ihr Musikvideo zum Nummer-Eins-Hit „The Winner Takes It All”.
Wir biegen nun in die Straße Langatan ein, die uns vom Wasser weg und in das Herz der kleinen Gemeinde bringt. Hier stoßen wir auf das alte Rathaus von Marstrand, das, im Gegensatz zu allen anderen Gebäuden, aus Stein gebaut wurde. Grund dafür war ein Gesetz, dass die Bürger eigentlich dazu verpflichten sollte, die Häuser nach dem großen Stadtbrand 1643 nur in Stein wieder zu errichten. Tatsächlich wurde aber nur das Rathaus aus Stein errichtet und das Gesetz wieder gestrichen, nachdem Marstrand 1658 schwedisch wurde.
Vor dem Rathaus befindet sich ein kleiner Platz und gegenüber der prächtige Johans Krog, der als Gaststätte betrieben wird.
Festung Carlsten
Direkt vom Rathausplatz führt eine kleine, recht steile Straße hinauf zur Festung Carlsten, die seit 1689 über der Insel thront. Schon direkt nach dem Frieden von Roskilde, als Marstrand schwedisch wurde, beschloss Schwedens König Carl X. Gustav eine Festung auf der Insel zu errichten. Zunächst wurde allerdings nur eine provisorische Festung aus Holz errichtet, die erst Jahre später durch die heutige Anlage ersetzt wurde.
Der Bau der Festung war für die damalige Zeit eine große Kraftanstrengung, da es in der einsamen Gegend weder genügend Baumaterial noch genügend Arbeitskräfte gab. So führte die schwedische Regierung eine neue Strafe ein, die sogenannte „Marstrandarbeit“, die von einigen Jahren bis lebenslang reichen konnte. Fortan wurden aus dem ganzen Land Strafgefangene hierher verlegt, um mit dem Bau der Festung zu beginnen.
Die Festung Carlsten wurde auch mit großen Waffen ausgestattet, was allerdings eine Einnahme durch norwegische Truppen im Jahr 1720 nicht verhinderte. Einige Monate später wurde die Festung jedoch zurückgegeben und repariert. Die Bewaffnung wurde anschließend verstärkt.
Noch bis 1991 war eine kleine Garnison des schwedischen Militärs auf der Festung stationiert, bevor sie restauriert und für Touristen geöffnet wurde. Heute kann man die Festung im Rahmen einer Führung oder auf eigne Faust besichtigen.
Am Fuße der Festung befindet sich ein kleines Café, die einzige Möglichkeit sich zu stärken, und nebenan gibt es einen kleinen Souvenirshop, in dem auch die Tickets für die Besichtigung der Festung verkauft werden. Im Jahr 2024 werden für Erwachsene 115 SEK (rund 10 Euro) fällig, um die Festung zu erkunden. Geöffnet ist von April bis September, wobei nur von Juni bis August täglich Zutritt besteht.
Vom Eingangsbereich geht es zunächst in den großen Innenhof, um den die ehemaligen Unterkünfte für die Soldaten angesiedelt sind. Die meisten dieser Gebäude sind nicht zugänglich, zumal einige heute als Hotel sowie Veranstaltungsfläche genutzt werden.
Andere Räume, die sich direkt in den Festungsmauern befinden, können aber, ebenso wie die Geheimgänge, erkundet werden. So gibt es unter anderem eine voll ausgestattete Schmiede zu sehen, denn aufgrund der abgelegenen Lage von Marstrand wurden viele benötigte Gegenstände direkt vor Ort hergestellt.
Ebenfalls in den Festungsmauern zu finden ist eine kleine Kapelle, in der die Gottesdienste abgehalten wurden.
Vom großen Innenhof führt eine Tür in das Herz der Festung, jenen Teil, der einst als Erster errichtet wurde. An dieser Stelle befand sich schon das alte Holzfort und später die erste, kleinere Festung aus Stein. Sie wurde beim Ausbau mit dem neuen Turm überbaut.
Bevor es nach oben geht, führt ein Weg auch einmal quer durch das Gebäude, das von dieser Seite sogar durch einen Wassergraben und eine Zugbrücke gesichert ist. Die Befestigungen wurden nach den jeweiligen Angriffen immer weiter ausgebaut.
Der Weg tiefer in die Festung hinein ist recht uneben, weswegen es sich empfiehlt, festes Schuhwerk anzuziehen. Teilweise ist das alte Gestein auch recht rutschig, besonders dort, wo es kleine Steigungen gibt.
Auf der obersten Ebene angekommen, sind noch einige der Aufbauten neueren Datums zu erkennen. Im Ersten und Zweiten Weltkrieg wurden hier Luftabwehrgeschütze installiert und auch während des Kalten Krieges wurde von hier der Luftraum überwacht.
Das ist heute allerdings viel weniger interessant als die fantastische Aussicht in alle vier Himmelsrichtungen, die sich den Besuchern von hier oben bietet.
Über die Treppe im Turm gelangt man auch noch in eine Art Zwischengeschoss, in dem rund ein Dutzend Räume und Zugänge um einen weiteren Innenhof angelegt sind. In diesem Bereich waren die Gefangenen untergebracht, die für rund zweihundert Jahre ständig am Ausbau und der Unterhaltung der Festung beteiligt waren. Gut waren die Lebensbedingungen hier nicht, sodass in manchem Winter bis zu zwanzig Prozent der Gefangenen starben.
Der wohl berühmteste Gefangene, der auf der Festung einsaß, war gewisser Lasse-Maja. Als Trickbetrüger zog er stets als Frau verkleidet durch das Land, suchte Anstellung als Haushälterin, um seine Arbeitgeber anschließend auszurauben. Nach seinen Diebeszügen kleidete er sich wieder als Mann und da eine Frau gesucht wurde, konnte er lange Zeit unerkannt entkommen. Im Jahr 1813 konnte er jedoch nach dem Diebstahl von Kirchensilber festgenommen werden. Im anschließenden Prozess wurde er zu lebenslanger Haft auf der Festung Carlsten verurteilt. Durch seine Anstellungen in Haushalten hatte sich Lasse-Maja Kochkünste angeeignet und so arbeitete er die längste Zeit seine Haftstrafe an Koch auf der Festung. Seine Küche kann noch heute besichtigt werden. Nach 26 Jahren Haft konnte er die Festung 1838 wieder verlassen, nachdem er vom König begnadigt wurde.
Lasse-Maja arbeitete aber nicht nur in der Gefangenenküche, sondern wurde später auch in der etwas besser ausgestatteten Kommandantenküche eingesetzt.
Auf der Festung könnte man noch Stunden durch die Gänge und versteckten Räume streifen, doch dafür reicht die Zeit während unseres kurzen Ausfluges nicht. Einen schönen Eindruck von der riesigen Anlage bekommt man aber auch in einer Stunde, sodass sich der Besuch auf jeden Fall gelohnt hat.
Marstrands Kirche
Nach der Besichtigung der Festung geht es zurück in den Ort, der wir noch einmal durchqueren müssen, um wieder zum Anleger der Fähre zu gelangen.
Auf dem Weg passieren wir noch die Kirche der kleinen Insel. Ein erstes Gotteshaus soll hier bereits 1138 von König Harald Gille gegründet worden sein, die heutige Kirche wurde allerdings zwischen 1270 und 1319 erbaut und war wahrscheinlich ursprünglich Teil eines Franziskanerklosters. Sowohl im 17. als auch im 19. Jahrhundert gab es größere Umbauten und Renovierungen, dazu gehört auch, dass die ehemalige Natursteinkirche verputzt wurde.
Von innen können wir die Kirche nicht anschauen, da die Türen verschlossen sind. So gehen wir relativ schnell weiter und passieren noch einige der Holzhäuser, die im Sommer oft mit Blumen geschmückt sind.
Zurück am Hafen heißt es noch kurz warten, bis uns die Fähre wieder zum anderen Ufer bringt, an dem schon unser Mietwagen auf uns wartet, um zurück nach Göteborg zu fahren.
Marstrand – Fazit
Die kleine Insel Marstrand ist zu Recht ein beliebtes Ausflugsziel und auch uns hat unsere kleine Entdeckungstour sehr gut gefallen. Sicherlich gibt es noch einiges mehr zu entdecken und man könnte auch locker ein ganzes Wochenende auf Marstrand verbringen, aber auch als Tagesausflug von Göteborg lohnt sich die Fahrt auf jeden Fall.
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