Tag 3: Freitag, 21. Oktober 2022
Eine Bahnfahrt, die ist lustig … – Rom nach Civitavecchia
„O wie fühl’ ich mich in Rom so froh! Gedenk’ ich der Zeiten, Da mich ein graulicher Tag hinten im Norden umfing, … ” (Johann W. von Goethe, Römische Elegien)
Es ist noch etwas bedeckt als ich am heutigen Morgen die Vorhänge zurückziehe. Heute soll das Wetter nicht ganz so schön sein wie gestern. So machen wir uns erst einmal gemütlich auf zum Frühstück, bevor es ans Kofferpacken geht. Bis kurz vor Mittag haben wir aber noch Zeit und während C. sich dazu entscheidet im Hotel zu bleiben, mache ich mich noch einmal auf die Socken. Das Hop on Hop off Ticket gilt ja für 24 Stunden und da wir gestern erst gegen 10 Uhr abgefahren sind, kann ich heute früh nochmals einsteigen. Ich fahre bis zum nächsten Stopp, der sich an der Kirche Santa Maria Maggiore befindet, an der wir gestern schon zweimal vorbeigekommen sind. Von der Rückseite sieht sie so aus.
Bekannter ist allerdings die Frontansicht, die sich zur Piazza di Santa Maria Maggiore öffnet. Die Kirche ist eine der vier päpstlichen Basiliken in Rom und trägt den Titel einer Basilika Major, wie die ranghöchsten römisch-katholischen Kirchen bezeichnet werden. Außerdem ist sie eine der sieben Pilgerkirchen in Rom.
Beim Betreten der Kirche fühle ich mich zunächst eher wie in einem Saal denn in einer Kirche. Es gibt keine Sitzmöglichkeiten. Allerdings beeindrucken sogleich die Größe und die reichhaltige Ausstattung der Basilika.
Mit dem Bau der Kirche Santa Maria Maggiore wurde bereits im 5. Jahrhundert begonnen und schon damals wurde sie auf den Fundamenten eines Vorgängerbaus errichtet. Geweiht wurde die Kirche am 5. August 434 und um diesen Tag rankt sich eine Legende. In der Nacht auf den 5. August 352 (oder 358) soll die Gottesmutter dem römischen Patrizier Johannes und seiner Frau erschienen sein und versprochen haben, dass ihr Wunsch nach einem Sohn in Erfüllung gehe, wenn ihr zu Ehren eine Kirche an der Stelle errichtet werde, wo am nächsten Morgen Schnee liege. Das Ehepaar begab sich daraufhin zu Papst Liberius, der, wie man erfuhr, denselben Traum gehabt hatte. Am Morgen des 5. August sei dann die höchste Erhebung des Esquilinhügels von Schnee weiß gefärbt gewesen und an dieser Stelle wurde die Kirche errichtet. Noch heute wird die Basilika deshalb auch Santa Maria ad Nives (Unsere Liebe Frau vom Schnee) genannt und dieses Ereignis als Schneewunder gefeiert.
Die Kirche wird von einem prächtigen, frei stehenden Altar geschmückt, doch noch viel interessanter sind die Mosaike an den Wänden des Triumphbogens dahinter. Dieser Schmuck ist der einzige fast vollständig erhaltene einer frühchristlichen Kirche des 4. und 5. Jahrhunderts. Auch an den Wänden des Kirchenschiffs sind teilweise noch solche Mosaike erhalten.
Vor dem Altar führen Treppen in die sogenannte Confessio, eine Altaranlage, die den Gläubigen den Zugang zu den unter dem Altar aufbewahrten Reliquien ermöglicht. In dieser Kirche ist die Reliquie ein silbernes Gefäß, in dem sich Reste einer Krippe befinden. Diese sollen von der Krippe Jesu Christi stammen.
Vor dem Altar mit der Reliquie kniet betend Papst Pius IX., der 1846 bis 1878 im Amt war. Seine Amtszeit ist mit 31 Jahren und 8 Monaten das längste nachweisbare Pontifikat der katholischen Kirche.
Als ich die Treppe aus dem Confessio wieder nach oben steige, habe ich nochmals einen ungewöhnlichen Blick auf den Altar und kann auch die Mosaike dahinter sehr gut anschauen. Viele Päpste haben in der Kirche ihre Spuren hinterlassen, so ist der Baldachin über dem Altar wohl erst nach der Fertigstellung des Petersdoms entstanden und wurde von der dortigen Ausstattung abgeleitet.
Wie viele Kirchen, so hat auch diese eine Kuppel, die ebenfalls reich verziert wurde. Was es dagegen nicht gibt, ist ein Querschiff. Die Stelle, an der sich bei den meisten Kirchen das Querschiff befindet, wird hier noch durch zwei Seitenaltäre angedeutet.
Kleiner, aber nicht weniger interessant, sind die Seitenschiffe der Kirche, die ebenfalls reich verziert sind. Hier befinden sich die Beichtstühle und einige von ihnen sind auch besetzt. Ein Schild an der Tür teilt mit, in welchen Sprachen die Beichte hier abgenommen wird. Auch Deutsch ist hierbei zu lesen.
In der Kirche sind auch die Grabmäler von sechs Päpsten sowie die Krypta der Familie Borghese zu finden, in der einige Mitglieder der einflussreichen römischen Familie beigesetzt sind.
Besonders reich ausgestattet ist auch die Taufkapelle der Basilika mit dem eingerahmten Taufbecken sowie dem beeindruckenden Deckengemälde.
Für mich ist es langsam Zeit zu gehen. In der Kirche ist es inzwischen auch recht voll geworden. Es empfiehlt sich also früh hier zu sein, wenn man in Ruhe schauen will. Schade ist vor allem, wie sich einige Besucher daneben benehmen. Das finde ich einfach unmöglich.
Da ich mit dem Bus die ganze Runde fahren müsste, wozu mir die Zeit fehlt, mache ich mich zu Fuß auf den Rückweg zum Hotel. Das ist teilweise ein ganz schönes Auf und Ab, aber es ist ja bekannt, dass Rom auf sieben Hügeln erbaut wurde und das merke ich auf diesem Weg deutlich.
Bevor ich ins Hotel zurückgehe, stoppe ich noch kurz an der Kirche Sacro Cuore di Gesù a Castro Pretorio, die sich direkt gegenüber dem Bahnhof und nur wenige Meter vom Best Western entfernt befindet. Diese Basilika minor ist eine Titelkirche, das heißt, dass sie den Rang einer Pfarrkirche hat, aber einem Kardinal zugewiesen ist, der hier als Pfarrer dient. Faktisch übt er dieses Amt jedoch nicht aus, sondern hat andere Aufgaben im Vatikan.
Der Bau der Kirche in den Gärten der ehemaligen Villa der Familie Peretti di Montalto wurde 1870 von Papst Pius IX. angeregt, doch erst 1879 wurde mit der Planung begonnen und der Bau ein Jahr später durch Papst Leo XIII. in Auftrag gegeben. Im Jahr 1887 wurde die Kirche schließlich fertiggestellt und 1921 zu einer Basilika minor erhoben. Titelkirche ist sie allerdings erst seit 1965 durch die Ernennung von Papst Paul VI.
Die Kirche ist in einem klassischen Stil erbaut, verfügt also über ein Langschiff sowie ein Querschiff und eine Kuppel über der Querung. Das Mittelschiff wird von einer reich verzierten Kassettendecke überspannt.
An den Kirchenbau wurde eine sogenannte Kampanile angeführt, ein frei stehender Glockenturm ohne Verbindung zur Kirche. Während diese Bauart in Mitteleuropa eher selten vorkommt, ist sie besonders in Italien (die wohl bekannteste Kampanile ist der Schiefe Turm von Pisa) aber auch in Litauen (wo ich diese Bauart in Vilnius bestaunen konnte) weit verbreitet. Der Turm der Sacro Cuore di Gesù a Castro Pretorio wird dazu noch von einer monumentalen Christus-Statue gekrönt.
Zurück im Hotel treffe ich mich wieder mit C. und wir checken gemeinsam aus, bevor wir zum Roma Termini laufen, der sich gleich schräg gegenüber dem Hotel befindet. Der Roma Termini ist der Hauptbahnhof von Rom und wurde ursprünglich 1867 bis 1874 erbaut. Er wurde nach der Botte di Termini, einer antiken Zisterne benannt, deren Reste 1876 abgerissen wurden. Im Jahr 1938 wurde ein kompletter Neubau des Bahnhofs begonnen, der erst in den 1950er Jahren abgeschlossen wurde.
Für uns ist aber heute weniger die Geschichte, sondern eher der Transport wichtig, denn wir wollen mit dem Zug zum Hafen von Rom fahren, der sich in Civitavecchia rund siebzig Kilometer nordwestlich von Rom befindet. Einen genauen Bericht über die Fahrt habe ich in einem Serviceartikel verfasst, sodass ich hier nicht nochmals näher darauf eingehen will. Wer mag, kann gerne mehr über die Fahrt unter dem Link nachlesen.
Für uns hat die Fahrt auf jeden Fall gut geklappt und war, im Gegensatz zu allen anderen Optionen, auch recht günstig. Somit kann ich den Transfer mit dem Zug auf jeden Fall empfehlen.
Nach der Ankunft am Hafen begeben wir uns sofort zum Check-in für unsere Kreuzfahrt. Hier ist noch nicht viel los, sodass wir nicht lange warten müssen und schnell unsere Bordkarten in der Hand halten.
Allerdings dürfen wir noch nicht an Bord, sondern müssen in einem Warteraum Platz nehmen, wo kalte Getränke bereitstehen. Auf Herumsitzen habe ich aber so gar keine Lust. Ich bin eher noch neugierig auf Civitavecchia. C. hat dagegen weniger Lust, sodass sie hierbleibt und unser Handgepäck bewacht, während ich mich noch ein wenig umschaue. Man sieht schon, wir sind hier heute nicht allein im Hafen und doch sind relativ wenig Menschen zu Fuß im Hafengebiet unterwegs.
Ich laufe zunächst zur Piazza della Vita, die sich zwischen dem Meer und der Festung befindet. Alles scheint hier recht neu angelegt, obwohl Civitavecchia eine sehr alte Stadt ist, die wohl schon von den Etruskern gegründet wurde. Eine erste Blüte erlebte der Ort aber erst unter Kaiser Trajan im 2. Jahrhundert, als dieser den Hafen anlegen ließ. Im Jahr 812 wurde die Stadt jedoch von islamischen Invasoren zerstört und die Gefahr konnte erst 1849 durch die Seeschlacht von Ostia völlig gebannt werden. Erst um das Jahr 1000 wurde Civitavecchia wieder besiedelt und kam 1432 zum Kirchenstaat, wo es bis zur Einigung Italiens im Jahr 1870 blieb. Heute ist Civitavecchia vor allem als Kreuzfahrthafen von Rom bekannt und über das ganze Jahr legen hier unzählige Schiffe an.
Auf der Piazza entdecke ich ein mir bekanntes Werk, „The Unconditional Surrender” von Seward Johnson. Die erste Statue wurde vor vielen Jahren in San Diego aufgestellt und inzwischen gibt es auch eine in Sarasota, Florida. Weitere Kopien der Statue reisen inzwischen um die Welt und so war im Jahr 2022 auch eine in Civitavecchia zu finden.
Ein weiteres beliebtes Fotomotiv bei den Touristen ist dieser Bug eines Schiffes, auf dem man sich fotografieren lassen kann.
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite ist ein kleines Einkaufszentrum zu finden, auf dessen Terrasse sich mehrere Restaurants befinden. Von hier habe ich auch einen schönen Blick hinüber zu den Kreuzfahrtriesen im Hafen.
Gut zu sehen ist aber auch das Forte Michelangelo, eine Festung, die ab 1508 zum Schutz des Hafens und auf Geheiß von Papst Julius II. entstand. Julius II. selbst legte am 14. Dezember 1508 den Grundstein zum Bau der Festung. Fertiggestellt wurde der Bau allerdings erst 1535, lange, nachdem Julius II. bereits verstorben war.
Natürlich kann ich von hier oben auch unser Schiff, die Azamara Onward sehen. Viel kleiner ist sie als die Ozeanriesen vor uns, aber dafür kann sie auch viel weiter in den Hafen fahren, sodass ich den Weg zurück in den Ort bequem zu Fuß absolvieren konnte.
Auf dem Rückweg zum Schiff drehe ich noch eine Runde um die Festung, deren Grundriss rechteckig ist und sich auf einer Länge von hundert Metern und einer Breite von 82 Metern erstreckt. An allen vier Ecken befinden sich kreisrunde Türme und die Festung sollte den Hafen vor Piratenüberfällen schützen.
An der Nordflanke der Festung befindet sich ein weiterer, achteckiger Turm. Dieser wurde erst 1537 erbaut und mit der Fertigstellung soll Michelangelo beauftragt worden sein. Daher hat die Festung auch ihren Namen.
Neben dem Nordturm befindet sich der Haupteingang zur Festung, der einst durch eine Zugbrücke gesichert war. Die Reste der Anlage sind noch heute zu erkennen.
Auf dem Platz vor dem Fort wurde 2020 die Statue „Il Bacio della Memoria di un Porto” zum 150. Jubiläum des modernen Hafenbetriebs aufgestellt. Die von der Künstlerin Ivana Puleo geschaffene Statue soll einerseits an all die Menschen erinnern, die den Hafen verlassen haben und vielleicht nie mehr zurückkehrten. Andererseits soll sie eine Erinnerung an die fast vollständige Zerstörung des Hafens im Jahr 1943 durch die Alliierten sein. Gezeigt wird eine junge Frau, die einen Matrosen des „königlichen Hafenmeisteramtes” küsst. Während der Matrose die alte, königliche Uniform trägt, ist das Mädchen in ein Kleid aus der 1940er Jahren gehüllt.
Nun ist es nicht mehr weit bis zum Terminal. Die letzten Meter sind nicht besonders spannend, denn hier führt der Weg an der Zufahrtsstraße zu den Piers entlang. Hier ist heute einiges los, denn es haben insgesamt fünf Kreuzfahrtschiffe festgemacht.
Zurück am Terminal treffe ich wieder auf C. und wir können nun endlich an Bord der Azamara Onward gehen. Wir sind schon ganz gespannt auf das Schiff und die Reise und können es kaum erwarten, bis es losgeht.
Unsere Kabinen befinden sich nebeneinander auf Deck 6. Das haben wir schon bei der Buchung so ausgewählt und auf dem recht kleinen Schiff sind sie auch schnell gefunden.
Sowohl C. als auch ich beziehen beide eine bequeme Balkonkabine, die für die nächsten acht Tage unser Zuhause sein wird. Mehr zur Azamara Onward und den Einrichtungen an Bord gibt es auch in meinem ausführlichen Review zum Schiff zu lesen (Review: Azamara Onward).
Vom Schiff kann ich dann auch noch das Auslaufen der Norwegian Escape beobachten. Das 326 Meter lange Schiff wurde 2015 in der Papenburger Meyer Werft gebaut und kann bis zu 4.266 Passagiere befördern. Zum Vergleich, unsere Azamara Onward ist 180 Meter lang und es reisen nur rund 600 Passagiere auf dem Schiff.
Eigentlich sollten wir kurze Zeit später auch auslaufen, eigentlich. Doch uns fehlen rund siebzig Passagiere, darunter auch die Familie unseres Kapitäns, wie wir später erfahren. Ein Streik am Flughafen von Rom hat sie aufgehalten. Dort konnten von 7 bis 18 Uhr keine Flugzeuge landen. So wurde beschlossen, noch etwas zu warten und zu sehen, ob es die fehlenden Passagiere noch auf das Schiff schaffen.
Wir gehen in der Zwischenzeit erst einmal zum Abendessen ins Hauptrestaurant, denn inzwischen ist es bereits 18 Uhr und wir sind gespannt auf die Köstlichkeiten, die man uns auf der Azamara Onward servieren wird.
Das Auslaufen startet dann gegen 22 Uhr, obwohl es noch immer nicht alle Passagiere an Bord geschafft haben. Länger können wir aber nicht warten, denn sonst wären wir morgen nicht pünktlich im ersten Hafen der Reise. Die fehlenden Passagiere werden nun nach Sardinien nachreisen müssen, das unser zweiter Hafen ist.
Wetter: heiter bis wolkig, 12–25 Grad