Tag 12: Sonntag, 30. Oktober 2022
Unbekannte Schönheiten – Girona nach Canet-en-Roussillon – Teil 2
„Eine Reise ist ein Trunk aus der Quelle des Lebens.” (Christian Friedrich Hebbel)
Der ausführliche Stadtrundgang hat uns ganz schön Zeit gekostet heute, Zeit, die eigentlich anders verplant war. Aber so ist das nun mal, auf alles kann man nicht vorbereitet sein und manchmal muss man halt auch Dinge schweren Herzens streichen. Es ist schon Mittag, als wir Girona verlassen. Zunächst fahren wir wieder in Richtung Küste, etwas nördlich der Stelle, an der wir gestern nach Girona abgebogen sind. Leider halten sich hier noch hartnäckig Wolken, sodass es nicht ganz schön sonnig ist wie weiter im Inland.
Als ersten Ort erreichen wir Palamos. Der Küstenort, der heute größtenteils vom Tourismus lebt, wurde bereits 1277 durch einen Erlass von König Peter III. gegründet, der hier eine Burg errichten ließ. Aus dieser Zeit ist allerdings kaum noch etwas zu sehen, denn der Ort wurde über die Jahrhunderte mehrmals zerstört. Die letzten Verwüstungen gab es im spanischen Bürgerkrieg 1936, als rund ein Drittel von Palamos dem Erdboden gleich gemacht wurde. Seit den 1960er Jahren kommen immer mehr Touristen in den Ort, angezogen durch die breiten Sandstrände, wo hier der Hauptanteil der Besucher aus Katalonien selbst kommt.
Wir fahren durch den Ort zu einem Felsvorsprung, auf dem sich der Far de Palamos befindet, der Leuchtturm von Palamos. Im Jahr 1865 wurde er erbaut, damals noch in einsamem und unwegsamem Gelände, das jedoch heute komplett von der Stadt eingenommen ist. In früheren Zeiten war das Areal allerdings so abgelegen, dass es zu Zeiten der Pest sogar als Quarantänestation genutzt wurde.
Der Felsvorsprung ist aber nicht nur der Standort für den Leuchtturm, er schützt auch den natürlichen Hafen von Palamos. Der wird zwar normalerweise nicht von Kreuzfahrtschiffen angelaufen, doch Ausnahmen bestätigen die Regel, und so hat hier heute die Seabourn Ovation festgemacht. Wahrscheinlich sind auch die morgendlichen Besuchergruppen in Girona vom Schiff gekommen.
Wir umrunden noch kurz den Leuchtturm und genießen die Aussicht. Der Turm selbst kann leider nicht besucht werden, da er noch heute in Betrieb ist. Der Far de Palamos war übrigens einer der ersten Leuchttürme in Spanien, der mit elektrischem Strom betrieben wurde, da durch die Nähe zur Stadt Elektrizität schon 1917 verfügbar war.
Wir folgen nun weiter der Küste nach Norden, zumindest so weit das möglich ist, denn direkt an der Küste verläuft die Straße hier kaum, sodass es wenig zu sehen gibt. In Richtung Meer fahren wir erst wieder in Llanfranc, wo wir einen weiteren Leuchtturm besuchen wollen. Ganz so einfach ist das aber nicht, denn direkt am Leuchtturm gibt es nur eine Handvoll Parkplätze und die sind am Sonntagnachmittag natürlich alle belegt. So suchen wir uns einen Parkplatz in einer der Seitenstraßen und die haben es hier ganz schön in sich. Da muss man wirklich darauf achten, dass die Handbremse angezogen ist und die Reifen eingeschlagen sind.
Für uns geht es dann den Berg wieder zu Fuß hinauf, um einen Blick auf den 1857 erbauten Far de Sant Sebastia zu erhaschen. Der Turm, der der älteste an der Costa Brava ist, steht übrigens 169 Meter über dem Meeresspiegel und man hat von hier oben einen tollen Blick über die Küste. Oder ich sollte vielleicht lieber sagen hätte, denn im Turm befindet sich ein Restaurant und den Ausblick kann nur genießen, wer hier auch einkehrt.
So fahren wir schon bald weiter, wieder auf der Landstraße nach Norden, die uns hier abermals keinen Blick auf die Küste gewährt. Direkt in die Küstenorte gelangt man immer nur über Stichstraßen, da sich direkt an der Küste ein Gebirgszug befindet. Auf einer der zahlreichen Erhebungen können wir eine Burg ausmachen, das Castell del Montgri.
Das Castell del Montgri ist eine zwischen 1294 und 1301 erbaute Höhenburg im Stile der Kreuzfahrer. Heute ist die Burg eine Ruine und einen richtigen Nutzen hatte das Gebäude nie, denn es wurde weder komplett fertiggestellt noch jemals als Burganlage genutzt. So bliebt die Burg über die Jahrhunderte fast unberührt und nur der Zahn der Zeit nagte an dem Gemäuer. In den Jahren 1988 und 1989 fanden Restaurierungsarbeiten statt. Da es keine Straße zur Burg gibt, musste das Baumaterial mit Helikoptern eingeflogen werden. Inzwischen können Touristen die Burg besichtigen, müssen aber einen rund vier Stunden langen Rundweg in Kauf nehmen, der 600 Höhenmeter überwindet.
Ansonsten ist die Fahrt auf der Landstraße recht eintönig, bis wir noch eine weitere Burg am Straßenrand entdecken. Das Castell de Quermanco ist ebenfalls eine Ruine und stammt aus dem 11. Jahrhundert. Die Gipfelburg gilt heute als wichtiges Beispiel der katalanischen Verteidigungsburgen des Mittelalters. Die Geschichte der Burg lässt sich bis in das Jahr 1078 zurückverfolgen und war mehrmals Schauplatz von blutigen Auseinandersetzungen. Im Jahr 1808 wurde sie schließlich von Napoleon Bonaparte erobert und die Franzosen bauten die Burg zunächst aus. Nachdem sich die Franzosen zurückziehen mussten, sprengten die Spanier die Burg und machten sie damit zu einer Ruine.
Nach rund eineinhalb Stunden Fahrt sehen wir endlich die Küste wieder. Costa Brava, die wilde Küste, wird dieser Abschnitt der spanischen Mittelmeerküste genannt, die bis an die französische Grenze reicht. Und dass die Küste wild und in Teilen sogar unerschlossen ist, das haben auch wir in den vergangenen zwei Tagen immer wieder festgestellt. Der nördlichste Teil der Costa Brava verfügt allerdings über eine klassische Küstenstraße und die wollen wir natürlich noch unter die Räder nehmen, auch wenn der Tag inzwischen schon ziemlich vorangeschritten ist.
Zunächst stoppen wir am 1913 erbauten Far de Punta Sarnella, einem weiteren der zahlreichen Leuchttürme an der Costa Brava. Der schmucke kleine Turm befindet sich recht einsam südlich des kleinen Ortes Cap de Vol. Allerdings gibt es einen recht gut ausgebauten Parkplatz, da das Gebiet wohl für Küstenwanderungen sehr beliebt ist.
Vom Leuchtturm haben wir einen schönen Blick über die Bucht von El Port de la Selva und auf den gleichnamigen Ort. Leider lässt uns das Wetter hier etwas im Stich, sodass sich am Himmel mehr Wolken als Sonne zeigen.
Schauen wir in Richtung Norden, können wir sogar die südlichsten Ausläufer der Pyrenäen entdecken, die hier bis ans Mittelmeer reichen.
Den kleinen Leuchtturm selbst können wir allerdings auch hier nur von außen umrunden, denn er ist noch heute in Betrieb und somit nicht zugänglich.
Vom Leuchtturm ist es nicht mehr weit bis nach Portbou, der nördlichsten Stadt an der Costa Brava. Rund tausend Menschen leben in dem kleinen Grenzort, der einst eine riesengroße Bedeutung hatte. Inzwischen ist Portbou aber eher etwas verschlafen und zieht vor allem Bootsbesitzer mit seinem modernen Sportboothafen an.
In den Jahren 1934 bis 1944 aber war Portbou ein Sammelpunkt deutscher und französischer Emigranten, die nach Spanien einreisen wollten. Unter ihnen der Philosoph und Literaturkritiker Walter Benjamin, der den Ort am 26. September 1940 unter Mithilfe von Fluchthelfern erreichte. Die spanischen Behörden ließen ihn, aufgrund eines neuen Dekretes, jedoch nicht einreisen und wollten den Schriftsteller zurück nach Frankreich schicken. Aus Angst vor der Deportation nahm sich Walter Benjamin in der Nacht von 26. auf den 27. September 1940 in Portbou das Leben. An die tragischen Geschehnisse erinnert heute eine begehbare Landschaftsskulptur (hier mittig im Bild zu sehen).
Was beim Blick auf das etwas verschlafene Portbou noch auffällt, sind die zwei riesigen Gebäude, die alle anderen Häuser überragen. Sie gehören zum Bahnhof von Portbou, der bis zur Fertigstellung einer Neubaustrecke im Jahr 2010 der wichtigste Grenzbahnhof zwischen Frankreich und Spanien war.
An diesem Bahnhof stieg aber kaum jemand ein oder aus, sondern man stieg um. Hier trafen sich die Züge aus dem Norden, die auf der mitteleuropäischen Regelspur unterwegs waren, sowie die Züge, die auf der iberischen Breitspur verkehrten. Nicht nur Passagiere stiegen hier um, auch Güter wurden neu verladen, seitdem die Eisenbahnlinie 1872 eingeweiht wurde.
Inzwischen wirkt der Bahnhof allerdings reichlich überdimensioniert und ist in Teilen auch in keinem guten baulichen Zustand, denn seit 2010 ist Portbou nur noch ein Haltepunkt der Regionalbahn, Fernzüge rauschen nun an dem kleinen Ort vorbei.
Mit den letzten Sonnenstrahlen verabschieden wir uns aus Portbou und auch aus Spanien. Eine kleine, kurvenreiche Straße führt hinauf zur französischen Grenze, die hier durch den Pyrenäenfrieden im Jahr 1659 entstand. Damals musste Spanien das Gebiet um Perpignan an Frankreich abtreten, das bis dahin zu Katalonien gehörte.
Der Grenzübertritt ist heutzutage ganz unspektakulär. Es gibt weder Grenzposten noch Kontrollen, schließlich befinden wir uns im Schengenraum. Das alte spanische Zollhäuschen steht inzwischen verwaist am Straßenrand.
Nicht viel anders geht es den Kontrollhäuschen auf französischer Seite, die allerdings viel häßlicher sind und in den letzten Jahren mit Graffitis übermalt wurden.
Der erste Ort hinter der Grenze ist Cebère, das übrigens einen ebenso großen Bahnhof besitzt wie Portbou, denn umgestiegen wurde auf den Bahnreisen jeweils hinter der Grenze und die Züge fuhren dann leer auf die andere Seite zurück. Wir fahren aber heute nur noch durch den Ort, denn es liegt noch immer etwas Fahrt vor uns.
Nachdem wir nun also die französische Grenze überquert haben, holt uns der Zeitverzug leider ein. Inzwischen ist es draußen stockdunkel und wir können nur noch das erkennen, was unsere Scheinwerfer oder die Straßenbeleuchtung anstrahlt. Ende Oktober ist der Sonnenuntergang schon recht früh, sodass wir die letzte Stunde nur noch durchfahren, bis wir das Best Western Hotel Canet Plage erreichen. Der südfranzösische Badeort zieht während der Saison viele Touristen an, im Spätherbst sind hier viele Bürgersteige aber schon hochgeklappt.
Das Hotel sieht von außen nicht besonders schön aus, eher Marke alter Betonkasten, wurde aber im Inneren renoviert. So ganz perfekt ist die Sauberkeit in meinem Zimmer allerdings nicht und auch C. ist nicht so ganz zufrieden, denn ein Upgrade wird uns ebenfalls verwehrt, mit der Ansage, man sei ausgebucht. Immerhin spricht man im Hotel Englisch, etwas, dass ich in Frankreich gar nicht erwartet hätte. Da C. aber Französisch spricht, hatten wir uns schon im Vorfeld keine Sorgen gemacht.
Immerhin habe ich ein Zimmer mit Balkon bekommen, auch wenn der nicht besonders gemütlich ist. Die Aussicht aufs Meer ist allemal sehr schön.
Kilometer: 228
Wetter: heiter bis wolkig, 22 bis 29 Grad
Hotel: Best Western Hôtel Canet Plage, Canet-en-Roussillon