Tag 10: Freitag, 28. Oktober 2022
Schönheit mit kleinen Fehlern – Barcelona
„Wenn dich einmal das Reisefieber packt, gibt es kein bekanntes Heilmittel, und ich bin gerne bis zum Ende meines Lebens daran erkrankt.” (Michael Palin)
Der letzte Hafen dieser Reise taucht vor meinem Balkon auf, als ich heute Morgen nach draußen trete. Doch auch wenn wir an diesem Tag zum letzten Mal anlegen, von Bord müssen wir noch nicht, denn heute haben wir den ganzen Tag in Barcelona Freizeit und schlafen anschließend nochmals an Bord.
Bevor ich aber überhaupt die Kabine verlasse, gibt es schon viel zu sehen, allem voran andere Kreuzfahrtschiffe, denn alleine sind wir im Hafen von Barcelona nicht. Das erste Schiff, das ich am Pier entdecke, ist die nagelneue AIDAcosma, die erst seit dem Frühjahr 2022 auf See unterwegs ist.
Gebaut auf der Meyer-Werft in Papenburg, ist das Schiff der zweite Neubau der sogenannten Helios-Klasse und kann bis zu 6.600 Passagiere befördern.
Wir fahren an der AIDA vorbei und noch tiefer in den Hafen hinein, denn unser Pier befindet sich weiter hinten an der Kaimauer. Langsam wird es auch heller und ich kann dabei zusehen, wie das Leben im Hafen erwacht.
Kurze Zeit später kann ich schon einem neuen Spektakel beiwohnen, doch bevor es so weit ist, sehe ich noch unseren Lotsen das Schiff verlassen. Schon kurios, dass er obwohl wir am Pier sind, auf der Seeseite aussteigt, aber er muss wahrscheinlich gleich zum nächsten Einsatz.
Dann sind meine Augen auf die MSC Seaview gerichtet. Das riesige Schiff von MSC Cruises muss hier rückwärts einparken. Anders kommt es nicht an den Pier, denn Drehen ist für solch einen Koloss im engen Hafenbecken nicht möglich.
Das rund 5.300 Passagiere fassende Schiff ist seit 2017 in Dienst und der zweite Neubau der Seaside-Klasse von MSC Cruises. Gebaut wurde die MSC Seaview, wie ihre Schwesterschiffe, auf der italienischen Werft Fincantieri.
Nachdem auch die MSC Seaview ihren Platz am Anleger gefunden hat, treffe ich mich erst einmal mit C. und wir gehen zusammen frühstücken.
Kaum fertig, stehe ich allerdings schon wieder an Deck, denn es muss noch ein Kreuzfahrtschiff rückwärts einparken. Die Marella Discovery von Marella Cruises, einer britischen Gesellschaft, die zu TUI gehört, ist zwar nicht ganz so groß wie die beiden anderen Schiffe, aber interessant anzusehen ist auch dieses Manöver.
Das Schiff wurde 1996 in Dienst gestellt und war von da an zwanzig Jahre für Royal Caribbean als Splendour of the Seas auf den Weltmeeren unterwegs. Die Balkonkabinen, die heute am Schiff zu sehen sind, wurden übrigens erst 2011 eingebaut. Auf Schiffen aus den 1990er Jahren gab es Balkone eher selten und schon gar nicht in solcher Anzahl. Seit 2016 ist das Schiff mit seinen rund 2.000 Passagieren nun für den Ableger von TUI unterwegs, deren Kreuzfahrtsparte ein Joint Venture mit Royal Caribbean Cruise Line ist.
Kurze Zeit später wird es auch bei uns interessant. Zunächst erfolgt eine Durchsage an Bord, dass das Rauchen auf der Steuerbordseite des Schiffes für die nächsten Stunden strengstens untersagt ist, und dann dockt ein Tankschiff neben uns an. Auch die Azamara Onward muss irgendwann mal tanken.
Wir haben holen nur kurz unsere Sachen aus der Kabine und dann geht es für uns von Bord, wir wollen Barcelona erkunden. Ich war bereits 1996 einmal in der Stadt, kann mich aber, bis auf die Sagrada Familia, kaum an etwas erinnern. Aufgrund der Kürze der Zeit und weil es in Rom so gut geklappt hat, haben wir uns entschieden, hier auch mit dem Hop on Hop off Bus zu fahren, leider ein Fehler, wie sich später herausstellen wird. Aber das ahnen wir jetzt noch nicht. Guter Dinge besteigen wir den Shuttlebus, der uns zum Hafentor fährt, denn alleine dürfen wir das Hafenareal nicht verlassen.
Vor dem Hafentor befindet sich dann auch schon die Haltestelle für die Busse. Wir kaufen ein Ticket und suchen uns einen Platz. Kurze Zeit später geht die Fahrt auch schon los. Unmittelbar hinter der Hafenausfahrt gibt es auch schon etwas zu sehen. In diesem wunderschönen Gebäude sitzt heute der Zoll und in der Ferne kann ich das Kolumbus-Denkmal ausmachen.
Dann wird es aber erst einmal ziemlich langweilig. Wir fahren zunächst über eine Schnellstraße und durch ein Industriegebiet. Schließlich biegen wir zum Montjuïc ab, einem der zwei Hausberge von Barcelona. Der 173 Meter hohe Berg ist ein Anziehungspunkt für Touristen und Einheimische gleichermaßen. Hier wurden auch schon viele große Events abgehalten, von der Weltausstellung 1929 über die Formel 1 bis hin zu den Olympischen Sommerspielen 1992. So gibt es auf dem Berg auch viele interessante Gebäude zu entdecken. Nur vom Bus sind die meisten kaum oder nur schlecht zu sehen. Man fährt halt einfach vorbei.
Ehe wir uns versehen, haben wir den Berg auch schon wieder verlassen. Es hätte einen Stopp gegeben, doch so viel Zeit haben wir gar nicht und der Bus fährt nur einmal die Hauptstraße entlang. Auch erfährt man gar nicht richtig, was man hier so machen kann. So geht es nun in Richtung Plaza Espana, vor der ich einen kurzen Blick auf die venezianischen Türme erhaschen kann. Beide Türme sind 47 Meter hoch und wurden dem Turm auf dem Markusplatz in Venedig nachempfunden.
Anschließend folgt eine Fahrt, die an Langeweile kaum noch zu überbieten ist. Anstatt interessante Ecken von Barcelona kennenzulernen, kurven wir durch unansehnliche Wohngebiete und Nebenstraßen. Fast eine halbe Stunde bekommen wir eigentlich nichts zu sehen, bis wir das Museum sowie das Stadion des FC Barcelona erreichen.
Nach einem kurzen Stopp setzt sich die langweilige Fahrt fort. Ich kann mich nicht erinnern, mich auf einer Stadtrundfahrt jemals so gelangweilt zu haben. Und dazu sitzen wir noch auf diesen unbequemen Plastikstühlen, die viel zu eng angeordnet sind. Endlich, nach einer weiteren halben Stunde gibt es mal wieder was zu sehen. Ein paar Häuser von Gaudi tauchen am Straßenrand auf. Doch so richtig anschauen kann man die nun auch wieder nicht, denn hier brausen wir jetzt einfach vorbei.
Wir fahren bis zur Küste und bekommen für einen Moment das Meer zu sehen. Alles irgendwie im Schnelldurchlauf und ziemlich lieblos. Vielleicht sind wir aber inzwischen auch einfach nur noch genervt, denn wir sind schon über zwei Stunden unterwegs und haben eigentlich kaum etwas von Barcelona gesehen. Dafür schmerzen uns die Knochen vom unbequemen Sitzen im Bus.
Nervig im Bus ist auch, dass sich die Kopfhöreranschlüsse nicht in der Lehne des Vordersitzes befinden, wie wir es aus Rom kannten, sondern in der Seitenwand. So lehnten sich ständig ungefragt irgendwelche Leute über mich, um ihr Kabel einzustöpseln. Voll ist es noch dazu. Anscheinend sind für die Menge an Fahrgästen einfach zu wenige Busse unterwegs.
Eine weitere Viertelstunde vergeht und gesehen haben wir wieder wenig. Einen kurzen Blick auf den Torre Glòries können wir werfen, der mit seinen 142 Metern eines der höchsten Bürogebäude Kataloniens ist. In der Bauart ähnelt der Turm dem Bürohaus The Gherkin in London.
Noch einmal kämpft sich der Bus rund zehn Minuten durch die Straßen von Barcelona, bis er endlich den Stopp vor der Sagrada Família, dem wohl berühmtesten Gebäude der Stadt, erreicht. Hier steigen auch wir aus, denn die berühmte Kirche wollen wir uns aus der Nähe anschauen.
Schon Minuten später bin ich nur noch schockiert. Hier geht es ja zu wie im Zirkus! Ich war 1994 schon einmal hier, aber da war an so einen Massenauflauf inklusive zahlreicher Buden und fliegender Händler noch nicht mal zu denken. Ein spontaner Besuch der berühmten Kirche – ebenfalls unmöglich. Das muss man anscheinend Wochen im Voraus planen und sich das Erlebnis dann mit Hunderten anderer Leute teilen.
Nun ja, wir laufen zumindest einmal um die Kirche herum. Viel näher kommt man ja auch nicht heran, denn eingezäunt ist sie auch, ähnlich einem Botschaftsgelände oder anderem Hochsicherheitstrakt.
So stehen wir recht bald wieder an der Haltestelle und steigen in den nächsten Bus ein. Doch wer denkt, dass die Fahrt jetzt mal spannender wird, der irrt. Ab und zu gibt es mal ein interessantes Gebäude zu sehen, aber wer diese Tour mitmacht, bekommt irgendwie den Eindruck, in Barcelona gäbe es kaum Sehenswürdigkeiten. Wieder fahren wir einfach nur durch die Stadt und ich mache vielleicht alle zehn Minuten mal ein Foto. Es gibt einfach kaum etwas Interessantes zu sehen. Allein für die nächsten vier Bilder waren wir eine Dreiviertelstunde unterwegs.
So macht das echt keinen Spaß und bei einem weiteren Besuch in Barcelona würde ich hier Hop on Hop off Busse meiden wie der Teufel das Weihwasser. Da mache ich mir lieber einen Plan und bin dann mit einer Tageskarte für die öffentlichen Verkehrsmittel wohl besser bedient. Unglaublich. Wer plant denn solche Routen?
Als wir endlich mal wieder durch eine der Prachtstraßen der Stadt fahren, ist bei uns die Luft schon längst raus. Nur noch lieblos wird die Kamera gezückt. Wir sind bereits rund vier Stunden unterwegs und gesehen haben wir fast nichts.
An der Plaça de Catalunya kann ich noch einen kurzen Blick auf das Denkmal für Francisco Macià y Llusa, einen früheren Präsidenten von Katalonien. Josep Maria Subirachs schuf das Denkmal im Jahr 1991, um an den 1933 verstorbenen Staatsmann zu erinnern.
Nach über fünf Stunden erreichen wir zum Glück wieder das Hafengebiet. Die Tortur geht ihrem Ende entgegen. Ich habe ja schon in einigen Städten Hop on Hop off Touren gemacht und auch C. ist das Konzept nicht neu, aber solch eine nutzlose Tour haben wir beide noch nie gemacht. Ich verstehe auch den Sinn einer so langen Tour nicht, bei der man eigentlich gar nicht die Zeit hat auszusteigen und etwas zu erkunden, weil man sonst zu den Betriebszeiten gar nicht mehr zum Ausgangspunkt kommt. Wenn wir allein an die Tour in Rom am Anfang der Reise denken, ist das alles ein Unterschied wie Tag und Nacht. Die Tour in Barcelona war einfach nur Zeit- und Geldverschwendung.
Wir sind richtig froh, als wir am Hafen aus dem Bus herauskommen und unsere Beine endlich wieder ausstrecken können. Am gegenüberliegenden Haltepunkt wartet zum Glück auch gleich ein Shuttle von Azamara, das uns zum Schiff zurückbringt. Apropos Shuttle, die Hafenbusse kosten hier in Barcelona eine Gebühr, die Passagiere der meisten Schiffe auch zahlen müssen. Azamara hat aber auch hier einen eigenen, inkludierten Shuttle organisiert.
Wieder an Bord gehen wir erst einmal in die Lounge „The Living Room”, wo wir einen Cocktail trinken und uns von den Strapazen dieses missglückten Ausflugs erholen.
Anschließend drehe ich noch eine kleine Runde über das Außendeck und mache ein paar Bilder von den Kreuzfahrtschiffen um uns herum.
Gegen halb acht sind wir dann bereits für unser Abschiedsessen. Ein letztes Mal gibt es für uns Abendessen im Restaurant der Azamara onward. Aber morgen ist dann Schluss mit dem täglichen Schlemmen.
Nach dem Essen wartet dann noch eine ganz besondere Überraschung auf die Passagiere. Unser Küchenteam war heute auch nicht untätig und hat in Barcelona allerlei Köstlichkeiten eingekauft. Die werden jetzt auf einem Buffet zur Verkostung angeboten. Wirklich sehr lecker. Blöd nur, dass wir gerade beim Abendessen waren. Aber ein paar Bissen passen trotzdem noch.
Am späten Abend gehe ich noch ein letztes Mal über das Schiff. Auf See sind wir nicht mehr, wir verbringen die Nacht im Hafen, bevor wir morgen von Bord gehen werden. Ein bisschen Wehmut kommt da schon auf. Ich hätte noch ein Stückchen weiterfahren können, aber so ist das nun mal, auch die schönsten Dinge sind irgendwann vorbei.
Zum Glück ist es diese Reise aber noch nicht, denn gleich nach der Kreuzfahrt nach Hause fliegen, das wollten wir nicht. Und so warten noch ein paar weitere interessante Tage voller Entdeckungen auf uns.
Wetter: heiter, 25 bis 29 Grad