Ausflug zum Sisi-Schloss Gödöllö, Ungarn
Ein Märchenschloss vor den Toren Budapests, ein Rückzugort ohne das enge Korsett des Wiener Hofes – das war Gödöllö für die österreichische Kaiserin Elisabeth, genannt Sisi. Und ihretwegen wird das Schloss auch heute von unzähligen Menschen besucht. Der größte Barockpalast in Ungarn ist heute wieder eine sehenswerte Residenz, die zumindest in Teilen museal und kulturell genutzt werden kann.
Ich erreiche Gödöllö mit der Bahn. Rund eine Stunde dauerte die Fahrt vom Budapester Stadtzentrum bis in den dreißig Kilometer entfernten Vorort, der mit deutschem Namen Getterle hieß. Gleich gegenüber des Bahnhofs beginnt auch schon der Schlosspark und zwei Säulen künden von einstigen Zufahrtstoren.
Nur wenige Meter weiter kommt dann schon der Mitteltrakt des Schlosses in mein Sichtfeld. Wunderschön restauriert ist er, sodass die jahrelange Vernachlässigung hier nicht mehr zu erkennen ist. Doch von vorn, denn Gödöllö ist viel älter als die Kaiserin und wurde für Antal Grassalkovich I., der hier zwischen 1723 und 1748 Ländereien erwarb und ab 1735 mit dem Bau eines Schlosses begann. Insgesamt drei Generationen waren Eigentümer des Schlosses, bevor die Familie im Mannesstamm ausstarb.
Nach einer recht turbulenten Übergangsphase besuchte Kaiserin Elisabeth Gödöllö zum ersten Mal im Jahr 1866, als hier ein Lazarett für Verwundete des deutschen Krieges untergebracht war. Ein Kauf wurde jedoch wegen der hohen Kriegskosten vom Kaiser abgelehnt. Kurze Zeit später sollte der ungarische Staat den Palast erwerben und anschließend dem Kaiserpaar zur Verfügung stellen. Anlässlich der Krönung zum ungarischen Königspaar wurde das Schloss renoviert und umgebaut sowie an die Bahn angeschlossen. Besonders Sisi liebte Gödöllö und verbrachte bis zu ihrem Tod mehr als zweitausend Tage im Palast, die sie zu ihren glücklichsten zählte, da sie hier dem strengen Wiener Hofprotokoll entfliehen konnte.
Dass das Schloss inzwischen wieder besichtigt werden kann, ist allerdings nicht selbstverständlich und ein Glücksfall. Nach dem Ende der Monarchie wurde das Gebäude stark vernachlässigt und nach dem Zweiten Weltkrieg schließlich geplündert. Anschließend richtete man hier ein Altersheim ein. Auch wenn die Anlage bereits 1951 unter Denkmalschutz gestellt wurde, so wurde doch nicht für ihren Erhalt getan. Erst als das Schloss 1994 komplett leer gezogen war, konnten Restaurierungsarbeiten beginnen.
Im August 1996 konnte schließlich der Mitteltrakt zum ersten Mal für Besucher geöffnet werden und dieser Teil des Schlosses ist noch immer die Hauptattraktion. Rund dreißig Räume sind inzwischen zu besichtigen und jedes Jahr kommen um die 200.000 Besucher.
Die repräsentativen Räume des Schlosses befinden sich im Obergeschoss des Mitteltraktes. Im 19. Jahrhunderte verfügte Gödöllö über 136 Zimmer, von denen 67 für die Bediensteten genutzt wurden. Außerdem war das Schloss mit jeglichem Komfort ausgestattet. So gab es ab1874 Gasbeleuchtung, ab 1898 sogar Elektrizität, und zusätzlich zu Kaminen und Öfen wurde eine Heißluftheizung installiert.
Wunderschön restauriert wurden aber nicht nur zahlreiche Räume im Schloss, sondern auch die im Nordflügel gelegene Schlosskirche, die heute auch wieder von der Gemeinde in Gödöllö genutzt wird.
Aber zurück in den Museumstrakt, in dem den Besuchern die Geschichte des Schlosses näher gebracht wird. Kurz angerissen werden hier auch die Vorbesitzer, jene Grafen und Fürsten Grassalkovich, die 1841 ausstarben. Schön zu sehen ist das an dieser Todesanzeige von Antal Grassalkovich III., auf der sein Wappen auf dem Kopf steht. Das wiederum zeigt, dass die Familie im Mannesstamm ausgestorben ist.
Bewegliche Stücke aus der Zeit der Grassalkovich sind allerdings nicht mehr vorhanden. Der Fokus des Schlossmuseums liegt auf dem österreichischen Kaiserpaar, das Gödöllö seit 1867 nutzte. Auch hier ist aber nicht mehr alles original, denn durch die Plünderungen wurde vieles zerstört oder entwendet. Inzwischen sind aber zahlreiche Stücke zurückgekehrt oder wurden ersetzt.
Sowohl die Kaiserin als auch der Kaiser hatten private Räume in Gödöllö, auf die bei der Besichtigung ein besonderer Fokus gelegt wird. In einem kräftigen Rot wurden die Räume des Kaisers gestaltet. Die Wandfarben wurden dabei, soweit möglich, wieder original hergestellt. Dazu gibt es Bilder des Kaisers aus verschiedenen Lebensabschnitten.
Während der Schreibtisch ursprünglich aus dem Palast von Buda stammt, gehörte der kleine Tisch dahinter zur originalen Ausstattung des Schlosses.
Zwei Skulpturen zweigen Kaiserin und Kaiser hoch zu Ross. Entstanden sind die Werke 1898, im Todesjahr von Kaiserin Elisabeth.
Genau in der Mitte des Schlosses ist ein großer Saal zu finden, der für Feierlichkeiten und Veranstaltungen genutzt wurde und das auch heute wieder wird. Dazu trennt er sie Gemächer des Kaisers und der Kaiserin voneinander. Der Prunksaal wurde übrigens schon 1758 gestaltet und das Mobiliar konnte anhand von Bildern rekonstruiert werden.
Vom Saal habe ich einen Blick auf den Vorhof, über den ich die Schlossanlage betreten habe.
Anschließend gelange ich in die Räume der Kaiserin, die in einem kräftigen Blau gestaltet sind. Auch hier sind an den Wänden zahlreiche Gemälde der Bewohnerin zu finden.
In diesen Räumlichkeiten verbrachte Sisi die meiste Zeit, wenn sie sich im Schloss aufhielt. Zahlreiche Zimmer wurden nach ihren Wünschen ausgestattet und sind heute, so gut es geht, wieder hergestellt worden.
Die Gemälde an den Wänden stammen aus verschiedenen Epochen. Diese Porträts sind mit die ältesten, denn sie zeigen Franz Josef und seine Braut, Herzogin Elisabeth in Bayern im Jahr 1853 noch vor ihrer Hochzeit.
Auch erste Fotografien sind an den Wänden zu finden, denn Mitte des 19. Jahrhunderts wurden Fotos immer populärer und so wurden natürlich auch Kaiser und Kaiserin sowie verschiedene Gebäude im Bild festgehalten. Sisi gibt es allerdings fast nur als junge Frau zu sehen, denn schon ab Mitte dreißig verweigerte die Kaiserin sowohl gemalt als auch fotografiert zu werden.
Eines der wenigen Bilder der älteren Elisabeth ist dieses, das im April 1898, nur wenige Monate vor ihrem Tod, auf der Promenade in Bad Kissingen entstand, wo der Kaiser mehrmals zur Kur war.
Elisabeth wurde in Ungarn bereits zu Lebzeiten verehrt. Schon 1863 begann die Kaiserin Ungarisch zu lernen und suchte sich alsbald auch eine ungarische Hofdame. Sie wurde eine Freundin sowie enge Vertraute von Elisabeth und die beiden arbeiteten maßgeblich am Ausgleich zwischen Österreich und Ungarn mit, der schließlich die Krönung von Franz Josef und Elisabeth zum ungarischen Königspaar zur Folge hatte.
Während Sisi bereits zu Lebzeiten in Ungarn verehrt wurde, wurde sie nach ihrem gewaltsamen Tod zum Mythos. Elisabeth galt auch als Schutzpatronin Ungarns und als Vermittlerin zwischen dem Kaiser und dem ungarischen Volk. So wurden im ganzen Land Skulpturen aufgestellt sowie Parks, Straßen und Einrichtungen nach ihr benannt. Im Jahr 1908 wurde im Palast von Buda sogar ein Gedenkmuseum eröffnet, das bis 1944 geöffnet war. Selbst im Sozialismus bliebt die Verehrung der Sisi, wenn auch nicht öffentlich, erhalten und lebte nach der politischen Wende wieder auf. Seitdem ist Gödöllö ein Zentrum des Elisabeth-Kults.
Nicht nur dem Kaiserpaar, sondern auch ihren Kindern sind einige der Räume gewidmet. So gehörte dieser Salon der Tochter Marie Valerie. Schon vor der jüngeren Tochter wurden hier ihre älteren Geschwister Rudolf und Gisela untergebracht.
Die letzten kaiserlichen Besucher waren Kaiser Karl IV. und Kaiserin Zita, die das Schloss aber nur noch sehr kurz nutzen konnten, bevor die zur Abdankung gezwungen wurden.
Durch einen langen Gang, der mit den Ahnen geziert wurde, verlasse ich die Innenräume des Schlosses, um mich nun noch dem Garten zu widmen.
Aus dem Mittelbau gelange ich in den rund tausend Quadratmeter großen Ehrenhof, in dem während meines Besuchs ein kleiner Kunsthandwerkmarkt stattfindet. Schön zu sehen ist hier noch einmal der hufeisenförmige mittlere Takt des Palastes, in dem das Königspaar seine Räume hatte, die ich gerade auch besucht habe.
Auf der großen Rasenfläche vor dem Schloss präsentieren sich gerade einige Reiter in historischer Uniform, ein tolles Fotomotiv, das viele Besucher schnell im Bild festhalten.
Schaut man genauer auf hin, ist allerdings zu sehen, dass die Arbeiten am Schloss noch lange nicht abgeschlossen sind. Jahrelange Vernachlässigung lässt sich nicht zu einfach beseitigen. Während der Mitteltrakt und der Südflügel bereits wieder in alten Glanz erstrahlen, ist am Nordflügel noch einiges zu tun.
Besonders schlimm sieht jedoch noch der größte Teil des Nordflügels aus. Hier ist bis auf eine Notsicherung noch nicht viel passiert. Man kann deutlich erkennen, in welch desolatem Zustand sich das Schloss befunden hat. Hoffentlich kann auch dieser Trakt noch renoviert und eines Tages wieder besucht werden.
Ich wende mich nun vom Schloss ab und folge einem der Weg in den Garten, der sich hinter dem Palast erstreckt. Der obere Garten wurde unter Antal Grassalkovich I. zunächst als Barockgarten angelegt und erst unter seinem Enkel um 1817 in Stil eines englischen Landschaftsparks umgebaut.
Auf dem Krönungshügel ist das einzige barocke Gebäude zu finden, das heute noch im Park erhalten geblieben ist. Den sechseckigen Pavillon ließ Antal Grassalkovich I. bereits um 1760 erbauen.
Im Pavillon sind 54 Ölgemälde der Herrscher aus der Zeit der Landnahme sowie ungarische Könige zu sehen. Die Bilder sind heute Kopien, denn nach dem Tod der Kaiserin wurden sie ins Schloss von Buda gebracht, wo heute nur noch 14 erhalten sind. Die restlichen Bilder wurden anhand von Fotos und Gemälden rekonstruiert.
Alles anzuschauen, das ist mir in einem halben Tag nicht möglich, denn die Gartenanlage erstreckt sich doch weiter als gedacht. Doch ich bin froh, hier nach Gödöllö gekommen zu sein, denn diesen Palast wollte ich schon lange einmal selbst sehen, nachdem ich über ihn bei meinen Besuchen in Wien gelesen hatte. Vielleicht komme ich ja eines Tages noch einmal zurück und erkunde die weitläufigen Anlagen genauer. Einen Besuch kann ich aber auf jeden Fall empfehlen, denn Gödöllö ist vielleicht sogar das schönste Schloss in ganz Ungarn.
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